Zwingende Präsenz – VFX-Studio rise eröffnet Dependance in München

rise eröffnet Dependance in München

Das international renommierte Visual Effects Studio rise hat den animago Award 2016 in der Kategorie »Beste Visual Effects« für Captain America: Civil War gewonnen. Anfang des Jahres hat rise eine Niederlassung in München eröffnet. Kein leichtes Unterfangen – während der animago conference war der Mietvertrag noch nicht fix. Ein Gespräch über den Standort und fehlenden Nachwuchs mit Geschäftsführer Sven Pannicke und Niederlassungsleiter Dominik Trimborn.

INTERVIEW: Olga Havenetidis

Wo befindet sich Euer Münchner Büro?
Dominik: In der Infanteriestraße 11a, im Kasernengelände an der Schwere-Reiter-Straße.

Also hat das noch geklappt mit dem Mietvertrag?
Sven: Es war ein Parcours, aber es hat geklappt, und wir sind sehr glücklich, dass wir jetzt hier sind, da die Räume wirklich sehr schön sind und sie den Berliner Büros sehr ähneln. rise hat Niederlassungen in Köln, Stuttgart und Wien.

Warum jetzt auch in München?
Sven: Von München versprechen wir uns eine größere Unterstützung durch die FFF Bayern- Förderung in punkto Animation und VFX. In dem Bereich sind die Berliner noch nicht so weit. Und da alles in der Filmbranche mit Vertrauen zu tun hat, mussten wir zwei Dinge tun: Zum einen eine eigenständig operierende selbständige Firma gründen. Zum anderen haben wir jemanden gebraucht, dem die bayerische Filmszene das entsprechende Vertrauen entgegenbringt. Von Berlin aus kann man das nicht remote leiten. Wir kennen die wenigsten Kollegen persönlich. Deswegen sind wir glücklich, dass wir jetzt mit Dominik zusammen eine Münchner rise-Dependance aufbauen.

Wie seid Ihr auf Dominik gekommen?
Sven: Wir kennen Dominik schon sehr lange und waren schon mit ihm Kontakt, noch bevor wir rise gegründet haben.

Dominik: Wir VFXler kennen uns ja untereinander; wir sehen uns regelmäßig auf Fachveranstaltungen. Den engsten Kontakt hatte ich mit Robert Pinnow von rise, weil wir Cloud Atlas und Hologram for a King zusammen gemacht haben. Mit rise lief immer alles sehr fair ab. Obwohl rise und ARRI Konkurrenten sind, war die Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten sehr harmonisch, und ich konnte dabei gut beobachten, dass rise sehr viel davon versteht, was sie tun. Hinzu kommt die große Bewunderung dafür, was die vier Jungs in nur zehn Jahren aufgebaut haben. Da war es für mich nicht schwer, eine Entscheidung zu treffen. München ist ja ein sehr teurer Standort.

Wieviel teurer ist für Euch ein Büro in München als in Berlin?
Sven: Das lässt sich im Detail schwer ausrechnen, und es macht eigentlich auch keinen Sinn, im Einzelnen darüber nachzudenken. In diesem Punkt geht es uns dann nicht anders als jeder anderen Münchener Firma.

Wie kommt es, dass München in Sachen Digitale Bildbearbeitung für Euch von Vorteil ist?
Sven: Auf absehbare Zeit wird es in Berlin so etwas wie die VFX-Förderung in Bayern nicht geben. Die Förderung in Berlin konzentriert sich momentan z.B. mehr auf Games. Außerdem hatten wir in Berlin gerade Wahlen, jetzt beginnen die politischen Gespräche über eine stärkere Ausrichtung der Förderung in Richtung Animation und VFX mit neuen Ansprechpartnern ganz von neuem. So lange können und wollen wir aber nicht warten, denn es gibt sehr viele spannende Projekte mit Münchner Beteiligung, und rise wurde immer gefragt: Könnt Ihr da nicht was machen? Und rise musste dann immer sagen: Wir haben keine Möglichkeit, über Bayern abzurechnen. Irgendwann wurde es beinahe zwingend, auch in Bayern präsent zu sein, weil sonst so viele schöne Projekte an rise vorbeigegangen wären.

Welche Projekte sind denn geplant?
Dominik: Wir werden unter anderem an Jim Knopf arbeiten. Dadurch, dass viel in Berlin und NRW gedreht worden ist, ist der München-Effekt im Visual-Effects-Bereich sehr wichtig. Das wird unser erstes großes Projekt sein. Es stehen noch zwei Serienprojekte an. Ich mach mir keine Sorgen um ausreichende Projekte. Wir wollen uns aber erst mal richtig aufstellen, bevor wir uns mit zu vielen Projekten überheben.

Es werden ja 40 Digital Artists bei Euch arbeiten.
Dominik: Ja, zwischen 30 und 40. Wir werden mit einem kleineren Team anfangen und uns langsam hochschrauben.

Sven: Die technische Infrastruktur haben wir jetzt schon so weit geplant, dass wir mit 30 bis 40, kurzfristig auch mit 50 Leuten dort arbeiten können. Die Devise ist immer – so groß wie nötig und so klein wie möglich bleiben. Schwankungen kalkulieren wir ein, können sie aber nie ganz ausschließen. In Berlin sind wir auch stetig, aber vorsichtig gewachsen. Mit dieser Strategie sind wir bisher ganz gut gefahren, und es kommt nicht sofort zu größeren Problemen, wenn das eine oder andere Projekt nicht zu uns kommt.

Woher bekommt Ihr Eure Leute?
Dominik: Dadurch, dass ich bei ARRI und auch vorher bei anderen Firmen häufig mit Freelancern zusammen gearbeitet habe, habe ich inzwischen natürlich zahlreiche Kontakte. In erster Linie greife ich deshalb auf mir bekannte Freelancer zurück. Das wird aber nicht ganz reichen. Es gibt aber einen regen Andrang. rise hat einen exzellenten Ruf und daher sind die Freelancer-Bewerbungen nicht gerade wenige.

Das heißt, dass München eine rege VFX-Szene hat. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Dominik: Da erhoff en wir uns mehr. Die HFF München ist, was Visual Effects angeht, noch nicht so weit, auch wenn sie mit Michael Coldewey als Professor auf einem sehr guten Weg ist. Es wird ja vielleicht sogar einen neuen VFX-Studiengang dort geben. Aber das wird, schätze ich, noch mindestens zwei Jahren dauern, bevor es dort so richtig losgeht.

Sven: Der Nachwuchs ist ein generelles Problem, das kennen wir auch aus Berlin. Ich glaube sogar, dass es ein deutschlandweites Problem ist. Die Nachwuchszahlen müssten drastisch höher sein. Die VFX-Häuser könnten mit dem, was an Aufträgen möglich wäre, sehr viel mehr Nachwuchs unterbringen. Ein gewisser Prozentsatz des Nachwuchses geht immer sofort ins Ausland und steht für den deutschen Markt gar nicht mehr zur Verfügung. Es bleiben zu wenige. Da muss sich noch einiges tun. Wir versuchen in Berlin mit diversen Initiativen, das zu beschleunigen. Es gibt auch Überlegungen, zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Der FFF fördert ja auch gezielt den Nachwuchs im Bereich Animation an sämtlichen bayerischen Hochschulen, die diese Studiengänge anbieten. Es gibt ja neben den klassischen Filmhochschulen noch weitere Hochschulen, aus denen heraus man Nachwuchs rekrutieren kann.

Dominik: ARRI hatte immer Studenten von der Nürnberger Ohm-Schule oder von der Macromedia, die dort ihr halbjährliches Praktikum gemacht haben. Die haben bei uns viel gelernt, durften schon an kleinen Shots mitarbeiten. Das sind sehr motivierte Leute gewesen, die wir dann irgendwann als Freelancer wiedergesehen haben. Dies würde ich bei rise fx south auch gerne so weiterführen.

Wie beurteilt Ihr die Fördersituation für VFX in Bayern?
Sven: Aus meiner Erfahrung ist sie tendenziell gut und deutlich weiter als die Regionalförderung in Berlin. Der große Nachteil ist aber für alle Standorte in Deutschland, dass es keine VFX-Förderung vom Bund gibt, ähnlich wie das an anderen internationalen Standorten wie Kanada, Frankreich oder Großbritannien der Fall ist. Die sind uns da einen großen Schritt voraus. Das ist ganz klar ein riesiger Standortnachteil für die deutsche VFX-Branche.

Es gibt ja jetzt mit rise pictures eine Neugründung, die sich als Produktionsfirma versteht. Hier in Bayern sprechen wir aber ja grundsätzlich von VFX-Produzenten. Wieso musste es also so eine Neugründung geben?
Sven: Man kann das sehen, wie man mag. Wir verstehen uns als künstlerischer Dienstleister. Aber ich bekomme internationale Anfragen, bei denen es sehr oft darum geht, welche Art von Incentives wir mitbringen können. Da müssen wir dann immer antworten, dass das in Deutschland nur in der Rolle als Koproduzent geht.

Die VFX-Förderungen in München und Stuttgart funktionieren da zum Teil etwas anders, aber ansonsten müssen wir eben immer als Koproduzent auft reten. Dafür wiederum müssen wir uns anders aufstellen. Da brauchen wir filmproduzentisches Know how. Wir sind in VFX sehr erfahren, aber eben keine Filmproduzenten. Deshalb haben wir uns entsprechende Partner geholt und deshalb ist Ulrich Schwarz als erfahrender Produzent, der den US-Markt aus eigener Anschauung kennt und der beispielsweise schon Der Medicus in produzentisch verantwortlicher Position für die UFA realisiert hat, dabei.

Wir konzentrieren uns dabei auf europäische Ko-Produktionen in der Größenordnung von ca. 30 bis 40 Mio. Euro mit einem hohen Anteil an VFX. Außerdem wollen wir verstärkt Animationsfi lme machen. Auf ganz, ganz lange Sicht kann ich mir durchaus vorstellen, auch eigene Produktionen zu initiieren, allein oder als Koproduktion. Im Moment liegt der Fokus aber eher auf europäischen Ko-Produktionen.

Gilt der Münchner Standort als Produzent oder als Dienstleister?
Sven: Wie gesagt, ich sehe uns als Dienstleister.

Das heißt, man könnte jetzt nicht eine internationale Koproduktion mit rise München starten.
Sven: Natürlich, Koproduzent wäre dann die rise pictures in Berlin und der Dienstleister rise fx south in München. Wir haben da auch schon ein paar sehr, sehr gute Kontakte, und ich bin zuversichtlich, dass wir innerhalb der nächsten drei Monate unser erstes Projekt verkünden können.

Ihr seid ja auch sehr erfolgreich gewesen beim Animago Award. Die Verleihung, Messe und Konferenz haben ja zum ersten Mal nach 20 Jahren in München stattgefunden. Wie fandet Ihr es?
Sven: Ich fand, es war eine deutliche Aufwertung des Animago. Nichts gegen das, was die Berliner und Brandenburger Kollegen auf die Beine gestellt haben. Der Ort in Brandenburg war etwas ungünstig, dort war es immer eine Randveranstaltung. In München ist es sehr angenehm, mit dem Gasteig eine zentrale Location zu haben, wo ja auch das Filmfest München stattfindet. Es war nach meinem Eindruck auch viel, viel voller als in den letzten Jahren.

Dominik: Ich freue mich natürlich, dass auch mal ein VFX Event in München stattfindet und nicht immer in Berlin. Ich habe das Gefühl, dass ich ganz oft nach Berlin fliegen muss, wenn es um VFX geht. Jetzt kann ich endlich mal in München bleiben. Ich fand, es war eine tolle Veranstaltung. Klar, wir müssen ihr noch Zeit geben. Es war ja das erste Mal in München, es dauert noch ein bisschen, bis es konkurrenzfähig zur FMX wird, was ich toll finden würde.

Was wünscht Ihr Euch vom Standort München?
Dominik: Was die Fördermöglichkeiten angeht, kann ich mich nicht beschweren. Ich freue mich, dass seit vorletztem Jahr auch die VFX-Branche unterstützt wird. Grundsätzlich ist die VFX-Bran- che mit drei großen VFX Firmen jetzt sehr präsent hier. Sehr viel Dreh wandert allerdings nach Berlin ab. Ich merke das an meinen vielen Flügen. Ich reise sehr viel nach Berlin, um Dreharbeiten zu betreuen, weshalb ich mir wünschen würde, dass wieder mehr in Bayern gedreht wird.

Sven: Das Thema Nachwuchs ist wirklich ein drängendes Problem. Wir versuchen auf allen Ebenen, international konkurrenzfähig zu werden und auch zu bleiben, damit wir eine Struktur und Planbarkeit aufbauen können. Wenn sich die Forderung nach einer Förderung für VFX und Animation durch den Bund erfüllen sollte, haben wir aber auf lange Sicht das Problem, dass wir nicht genug Nachwuchs haben. Dann stirbt dieses Pflänzchen schneller ab, als wir es großziehen können. Dem müssen wir nachgehen, vielleicht auch mit unorthodoxen Lösungen.

Welche wären das dann?
Sven: Ich finde es gut, die etablierten Institutionen zu unterstützen, also die Hochschulen und Fachhochschulen. Aber vielleicht sollte man auch über andere Ausbildungsmöglichkeiten nachdenken. Es gibt privatwirtschaftliche Institutionen, die bieten so etwas an, das kostet allerdings für die Studenten viel Geld.

Unorthodox wäre zum Beispiel, wenn sich VFX-Dienstleister zusammentun und etwas anbieten würden, bei dem Studenten nicht 300 bis 400 Euro für einen Praxismonat bezahlen müssen, sondern wo man sie sogar entlohnen würde. Sie erhielten eine Ausbildung direkt in den beteiligten Firmen, vielleicht versehen mit der Maßgabe, dass sie eine gewisse Zeit bei diesen Firmen bleiben, bevor sie in die weite Welt gehen.

Da gibt es sicher noch viele offene Fragen, arbeitsrechtlich, berufsgenossenschaftlich und auch was die Sozialversicherung betrifft, aber es werden dringend Ideen benötigt, für Ergänzungsprogramme zu dem, was Hochschulen und FHs leisten können. Das ist zwar toll, aber es reicht nicht. Wir brauchen etwas, das schneller geht. Wir reden davon einem Zeithorizont von einem halben oder Dreivierteljahr. Mit entsprechenden Vorkenntnissen ist es möglich, Leute in dieser Zeit so weit aus- und weiterzubilden, dass sie von ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten leben können.

Dominik: Die größte Herausforderung wird sein, die passenden Leute für die Projekte zu finden. Das ist jetzt schon sehr schwierig, weil wir uns die Leute unter den VFX-Firmen weggreifen und sie deshalb ganz lange im Voraus buchen müssen, manche ein halbes Jahr vorher. Und wenn sich die Projekte verzögern, weil zum Beispiel der Schnitt länger dauert, haben wir manchmal die Bude voller Leute und können nicht anfangen. rise hat eine eigene Abteilung, die sich nur darum kümmert, Leute zu engagieren.

Also eine eigene Recruitment-Abteilung.
Sven: Das haben die anderen VFX-Häuser auch. Aber der Aufwand steigt immer mehr. Wir suchen nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Wir haben schon eine ganze Reihe von Kollegen in Berlin, die wir von woanders geholt haben, und die in Berlin hängengeblieben sind und jetzt auch für andere Firmen arbeiten. So etwas kann ich mir auch in München vorstellen. München ist eine ähnlich attraktive Stadt. Wir können und müssen uns auch bemühen, unsere Leute aus dem Ausland wieder zurückzuholen. Aber da ist wieder das Problem mit der langfristigen Planbarkeit. Artists, die nicht sehen, dass es langfristig am Standort attraktive Jobs gibt, sind nach einem halben Jahr wieder weg: in Kanada, Neuseeland, Frankreich, Spanien oder England.

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