In der Disco lebt man weiter – Ein Setbericht zum Kinofilm „Arthur & Claire“

Szenenfoto aus "Arthur & Claire"

Im Winter drehten Tivoli Film, Topkapi und die Mona Film Produktion die Tragikomödie »Arthur & Claire«. Die Handlung spielt in Amsterdam, wo die Außenaufnahmen entstanden sind. Die Innenszenen drehte das Team komplett in der Bavaria. Die Hauptrollen spielen Josef Hader und Hannah Hoekstra unter der Regie von Miguel Alexandre. Ein Setbericht.

Text Dominik Petzold

Arthur ist nach Amsterdam gekommen, um sich in Ruhe umzubringen. Aber jetzt ist er in einer Disco, und die junge Claire zieht ihn auf die Tanzfläche. Sie versucht alles, um ihn zum Tanzen zu animieren, aber der Anfang-Fünfziger zieht nicht. Er schaut freundlich, aber lustlos, dann nutzt er einen Hustenanfall, um sich wieder zu verdrücken.

„Perfekt!“, ruft Regisseur Miguel Alexandre. Die Komparsinnen und Komparsen hören auf, zu tanzen. Im Münchner Club „Rote Sonne“ entsteht eine der letzten Szenen der internationalen Koproduktion Arthur & Claire. Josef Hader und die Niederländerin Hannah Hoekstra, European Shooting Star bei der letzten Berlinale, spielen darin die lebensmüden Titelfiguren: Arthur hat Krebs und arrangiert seinen Suizid in einer Amsterdamer Sterbeklinik. Am Abend vor seinem geplanten Tod stört ihn im Hotel der Lärm von nebenan, und als er sich beschweren will, trifft er auf Claire – die sich gerade umbringen will. Er hält sie davon ab, und sie entführt ihn ins Nachtleben Amsterdams.

Die Discoszene entsteht wie alle Innenaufnahmen in Bayern: 20 der 28 Drehtage finden hier statt. Der FFF Bayern hat die Produktion mit 400.000 Euro gefördert. Und 1,4 Millionen fließen zurück nach Bayern, genau die Hälfte des Produktionsbudgets. „Wir haben mit Klaus Schaefer und Nikolaus Prediger Partner gefunden, die an das Projekt geglaubt haben“, sagt Gerald Podgornig, Geschäftsführer der hessischen Firma Tivoli Film Produktion und ihrer österreichischen Schwesterfirma Mona Film Produktion.

Er produziert den Film mit seinem Partner Thomas Hroch und Arnold Heslenfeld vom niederländischen Koproduktionspartner Topkapi Film. „Auf diese Firma bin ich durch The Broken Circle gestoßen, das war für mich ein einzigartiger Film“, sagt Podgornig. „Und eine solche Werthaltigkeit wollen wir auch mit unserem Film erreichen.“ An der Entstehung von Arthur & Claire sind außerdem ZDF und ORF beteiligt sowie sieben weitere Förderungen aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Stefan Vögel. Podgornig hatte die Rechte daran 2013 erworben, und er wandte sich mit dem Stoff an Regisseur Miguel Alexandre. Der war sofort begeistert: „Es hat mich wahnsinnig gereizt, die Balance zwischen Tragödie und Komödie hinzukriegen“, sagt er in der Drehpause. Ein Jahr lang schrieb er an der ersten Fassung, doch ihm fiel niemand ein, der die Hauptrolle spielen könne. Bis er am Silvestertag 2014 im Fernsehen zappte und beim Kabarett-Programm Hader spielt Hader hängen blieb: „Ich wusste nach zehn Sekunden: Ich habe Arthur gefunden“, sagt Alexandre.

Josef Hader hatte Interesse, die beiden trafen sich zu einem langen Gespräch. Ihre Einfälle setzte Miguel Alexandre in einer zweiten Drehbuchfassung um. Als Hader diese gelesen hatte, sagte er zu, die Hauptrolle zu spielen – und das Drehbuch gemeinsam weiter zu entwickeln. Darin überreden sich zwei Lebensmüde gegenseitig zum Weiterleben – wie schafft man das ohne Plattitüden? „Wenn man das Boulevardeske vermeiden will, muss man möglichst wenig Dialog haben“, sagt Josef Hader. „Wir haben sehr viel vom Drehbuch noch gestrichen, haben uns ganz auf die Situationen verlassen. Das war unser Versuch, das auf sparsame, minimalistische Weise zu erzählen.“ Hader hat bei Wilde Maus erstmals Regie geführt, aber auf die Frage, ob er bei Arthur & Claire eine Art Co-Regie übernahm, lacht er. „Um Gottes willen! Gerade wenn man einmal Regie geführt hat, hat man großes Verständnis, dass es am Set nur einen Chef geben sollte.“

Ein Großteil des Drehs fand in den Bavaria Studios statt. In Halle 6 wurden zwei Hotelzimmer gebaut, dazu Gang und Aufzug. „Wenn man die Atmosphäre eines Studiodrehs erlebt, ist das für einen Produzenten das Schönste“, sagt Podgornig. „Wir haben die besten Voraussetzungen vorgefunden, eine perfekte Infrastruktur. Es ist einfach großartig, wie wir uns ausleben konnten. Die Partnerschaft mit der Bavaria wollen wir in jedem Fall fortsetzen.“

Ein weiterer wichtiger Dienstleister ist ARRI: Das Kamera- und Licht­equipment kommt vom Münchner Unternehmen, ARRI Media übernimmt die Postproduktion und ARRI Media Worldsales den Weltvertrieb. „Das ist eine langjährige Beziehung“, sagt Podgornig mit Blick auf viele Fernsehproduktionen seiner Firma. „Da sind Freundschaften entstanden. ARRI ist für uns ein ganz maßgeblicher Partner, die Dienstleistung ist sehr professionell. Wir sind mit ARRI immer gut gefahren.“

Am vorletzten Drehtag, als die Discoszenen entstehen, wirken alle völlig entspannt: der Produzent, der Regisseur und Josef Hader. Der war im wahren Leben seit den Achtzigern in keiner Disco mehr. Und wenn ihn mal wieder jemand in eine hineinziehen würde, so wie die lebensmüde Claire den lebensmüden Arthur? „Ich würd’ mich mehr betrinken als im Film“, sagt Josef Hader, „damit ich’s aushalt’“

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