Grenzen überschreiten – das Festivalprogramm des 33. Filmfest München

Luis Trenker

Die Flucht in rettende Länder, in andere Genres, in Selbstreflexion und in den Humor durchzieht das Festival­programm des 33. Filmfest München (25. Juni bis 4. Juli 2015). Auf einem schmalen Grat der Wahrheit bewegt sich „Luis Trenker“ – die Roxy Film-Produktion über die sogenannte Bergsteiger-Legende feiert in München Premiere.

Seit nicht allzu langer Zeit erkennt die Website des Münchner Filmfests die Grenzen des Geräts und passt sich an. Das nennt sich „Responsive Webdesign“. Responsive handelt das Filmfest auch von einem der beherrschenden Themen unserer Zeit: der Situation von und dem Umgang mit Flüchtlingen. So dringlich klopft dieses Sujet an die Wahrnehmung, dass es gar nicht anders ging, als bereits den Eröffnungsfilm dahingehend auszuwählen: Den Menschen so fern erzählt im Stil eines Westerns von einem französischen Lehrer, einem „pied-noir“, der im Jahr 1954 im algerischen Atlasgebirge Kinder unterrichtet. Eines Tages fordert ihn ein französischer Soldat dazu auf, einen arabischen Bauern, der des Mordes angeklagt ist, zu einer weit entfernten Polizeistation zu bringen. Während der Reise über die Berge lernen die Männer einander kennen und der Lehrer erfährt, wie die andere Perspektive auf die Geschehnisse im Land aussieht. „Der Film tritt mit höchstem Anspruch an und erfüllt diesen“, sagt Festival-Leiterin Diana Iljine. Inszeniert hat die Verfilmung der Kurzgeschichte von Albert Camus der 1968 geborene französische Regisseur David Oelhoffen, der gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller Viggo Mortensen den Film in München persönlich vorstellen wird. Den Menschen so fern darf durchaus als zeitgenössische Form des Westerns wahrgenommen werden, ebenso wie Slow West mit Michael Fassbender, der ebenfalls im Programm läuft.

In Marokko spielt das Drama Much loved, das in Cannes in der Nebenreihe „Directors Fortnight“ zu sehen war. Er handelt von Prostitution, und darf nach aktuellem Stand in Marokko nicht gezeigt werden. Die zuständige Behörde der Regierungspartei vertritt Zeitungsberichten in Deutschland zufolge die Auffassung, der Film schade dem Ansehen des Landes und der Frauen. Ebenfalls aus Cannes mitgebracht haben die Programmer Amy, den Dokumentarfilm über Amy Winhouse, Dope und das sechsstündige cineastische Erlebnis Arabian Nights.

Neben Filmen aus der arabischen Welt, die in diesem Jahr zahlreich vertreten sind, gibt es auch viele kleinere Länder: Trinidad und Tobago (God loves the fighter), Jordanien (Theeb), Kuba (La Obra del Siglo), Palästina (The Wanted 18), Pakistan (Daughter), Vietnam (The Inseminator) Kosovo und Mazedonien (Babai). Aus Kirgisistan kommen sogar zwei Filme: The Move und Taxi & Telephone.

Auffällig erscheinen in diesem Jahr auch die ausgesprochen humorvollen Filme. Mads Mikkelsen, ein Fan des Filmfests, präsentiert gemeinsam mit Regisseur Anders Thomas Jensen die Deutschlandpremiere von Men and chicken. Und nicht nur das: Alle sechs Darsteller kommen nach München. Und nicht nur das: Alle sechs Darsteller bringen ihre kompletten Familien mit. Ebenfalls lustig wird Broadway-Therapy von Peter Bogdanovich und Listen up Philip von Alex Ross Perry.

Wer in den letzten Jahren die beiden Reihen Neue Deutsche Fernsehfilme und Neues Deutsches Kino wahrgenommen hat, war anschließend ein Jahr lang versorgt. Beinah alle Filme, die bei verschiedenen Festivals reüssierten und / oder Preise gewannen, waren hier schon zu sehen gewesen. Umso spannender wird es jetzt von Jahr zu Jahr, wen das Orakel der Sonnenstraße wohl dieses Mal ausgewählt hat. Zum Beispiel den Fernsehfilm Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit (s. Interview Seite 23). Oder die beiden FFF-geförderten Nachwuchsfilme Outside the box von Philip Koch und Die Maßnahme von Alexander Costea (s. Kasten links). Ebenfalls mit Spannung erwartet werden Dietrich Brüggemanns Heil und Axel Ranischs Alki Alki. Über den Förderpreise Neues Deutsches Kino entscheiden 2015 Sebastian Schipper, Johanna Wokalek und Peter Rommel. Die Preiträger des CineMerit-Awards stehen bereits fest: Jean-Jacques Annaud, ein Autor so unterschiedlicher Filme wie Der Name der Rose, Der Bär, Der Liebhaber, Sieben Jahre in Tibet, Duell – Enemy at the Gates und Rupert Everett, bekannt als Darsteller in Filmen wie Robert Altmanns Prêt-à-Porter, Michael Radfords B. Monkey und John Maddens Shakespeare in Love.

Auffällig viele Filme beschäftigen sich mit dem Filmemachen selbst. So zum Beispiel auch Actress, ein Dokumentarfilm über eine Schauspielerin der Serie The Wire, die die Schauspielerei aufgegeben hat und jetzt bemerkt, wie sehr sie ihr fehlt. Um das Filmemachen geht es auch im Filmmaker’s Live mit Alexander Payne, dem die Retrospektive gewidmet ist. Die Hommage an Andy Warhol wiederum präsentieren Katja Eichinger und Uli Lommel. Auch die Serien haben wieder ihren Platz beim Münchner Filmfest. Jeweils die ersten beiden Folgen von Weissensee (3. Staffel), Lerchenberg (2. Staffel), The Brink (1. Staffel), Ballers (1. Staffel) und The Missing (1. Staffel) werden zu sehen sein. Außerdem die erste Staffel von Togetherness nach dem Buch von Joanne K. Rowling, deren Stoff damit zum ersten Mal für das Fernsehen realisiert wurde. The Casual Vacancy wiederum ist die erste Serie, die von HBO und BBC koproduziert wurde.

Das Filmfest selbst hat übrigens seine Grenzen neu gezogen: Es dauert ab jetzt einen Tag länger und beginnt deshalb schon am Donnerstag.

3 Antworten

  1. Könnten Sie mir sagen, in welcher Zeit genau das Filmfestival 2017 stattfindet? Meine Schwester heiratet nämlich in diesem Sommer und zu der Festivalzeit ist es dann immer ganz schwer ein Zimmer zu bekommen!

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