500 Jahre Reformation: Am 22. Februar 2017 strahlt die ARD den Film »Katharina Luther« im Ersten aus. Regie führte Julia von Heinz nach einem Drehbuch von Christian Schnalke, produziert haben ihn quasi ökumenisch Eikon, Cross Media und Conradfilm mit MDR, ARD Degeto, BR und SWR. Der FFF Bayern hat die Produktion mit 400.000 Euro gefördert. Eine Betrachtung des Films, der zwischen Himmel und Hölle und zwischen Männern und Frauen spielt.
Text: Anna-Lisa Dieter
Eigentlich mag ich historische Filme nicht, ich gucke sie ungern und wollte auch nie einen machen“, sagt Julia von Heinz, Regisseurin des Films Katharina Luther, dem gemeinsamen Beitrag von MDR, ARD Degeto, BR und SWR zum Reformationsjubiläum. Ihre Verfilmung der Lebensgeschichte Katharinas von Bora, die am 22. Februar 2017 in der ARD ausgestrahlt wird, inszeniert zwar einen historischen Stoff, doch ein konventioneller Historienfilm ist „Katharina Luther“ nicht. Und das ist ein Glücksfall! Kein Kostümspektakel, bei dem die aufwendig rekonstruierte Vergangenheit die Emotionen der Figuren überfrachtet und der Zuschauer die Geschichte wie im Museum betrachtet. Keine distanzierte Draufsicht, die das historische Geschehen von der Gegenwart abkoppelt. Im Gegenteil. „Es war mein Anliegen“, so die Regisseurin, „die Ereignisse ganz ins Hier und Jetzt zu holen.“
Das filmische Konzept, das sie gemeinsam mit Kamerafrau Daniela Knapp entwickelt hat, zieht den Zuschauer von Anfang an in die Geschichte der entlaufenen Nonne hinein, die nach der Heirat mit Martin Luther zur wohl berühmtesten Frau des 16. Jahrhunderts wird. Durch die Augen Katharinas, die auf der Suche nach dem „ganzen Leben“ aus dem Kloster flüchtet, entdeckt der Zuschauer eine Welt im Umbruch.
Wir, die Tellux, haben die Projektidee zu Katharina von Bora schon viele Jahre
vor dem Reformationsjahr, aber mit Blick darauf, in unsere ökumenische Produktionsgesellschaft Cross Media eingebracht, weil wir der Meinung waren, dass die Öffentlichkeit zu wenig bis gar nichts über die Frau an Luthers Seite weiß. Es war klar, dass eine Entwicklung für einen solchen Stoff Zeit kosten würde, gleichwohl hat das näher kommende Jubiläumsjahr einen guten Fixpunkt dargestellt. Ein Jahr, das natürlich auch für die Katholiken eine große Bedeutung hat, zum einen waren Katharina und Martin Luther Katholiken, zum andern gab es auch weitere Reformprozesse in der katholischen Kirche, die der Film zwar nicht dezidiert aufgreifen konnte, die sich aber in einer Vertiefung Interessierten vermitteln. Insofern waren wir dankbar für die Zusammenarbeit mit den Kollegen von der Eikon als federführende Produzenten sowie mit Marc Conrad, die zur Realisierung des Projektes geführt hat. Es war dabei das Verdienst der ARD und der Degeto, allen voran Jana Brandt und Christine Strobl sowie der beiden Förderungen FFF – Klaus Schaefer und Gabriele Pfennigsdorf – und MDM – Manfred
Schmidt und Markus Görsch. Mit allen notwendigen Mitteln und mit viel Engagement haben der Autor Christian Schnalke und die Regisseurin Julia von Heinz und ihre großartigen Schauspieler das Projekt unterstützt. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank.Martin Choroba, Tellux
Bewusst verzichtet die Regisseurin auf Totalen und arbeitet stattdessen mit Naheinstellungen, die in Details von der bewegten Zeit der Reformation erzählen. Zum Beispiel vom wilden Treiben auf dem Marktplatz von Wittenberg. Überquert Katharina diesen, so heftet sich eine Handkamera an ihre Fersen, fängt ihre fragmentierte Sicht in manchmal unscharfen Bildern ein, schwenkt plötzlich weg und konzentriert sich auf Details wie den Dreck auf den Straßen und die Patina an den Wänden. Die Kameraführung lässt den Zuschauer an der Unsicherheit der Welt teilhaben, in der sich Katharina, nach ihrer Flucht aus dem Kloster ohne rechtliche Stellung, zurechtfinden muss.
Das Detail ist deshalb so zentral für die Ästhetik des Films, weil es Antwort auf die Frage gibt, was unsere Gegenwart mit der Zeit der Reformation verbindet. „Was ist heute immer noch so?“, fragt von Heinz. „Die Haut von Menschen, Insekten, Blätter im Wind, Naturaufnahmen“, lautet ihre Antwort. Diese Motive durchziehen die filmische Bebilderung von Katharinas Lebensweg.
Die Inszenierungsweise, die im Historischen das Allgemeingültige sucht, setzt sich im klugen Drehbuch von Christian Schnalke fort, dem es darauf ankam: „Den Menschen Katharina von Bora zu finden, in seiner mittelalterlichen Prägung und in seiner allgemeingültigen (und damit auch modernen) Psychologie.“ Ihr Streben nach Unabhängigkeit, das die Grenzen der spätmittelalterlichen Gesellschaftsordnung austestet, wirkt außerordentlich modern. Der Film setzt zu dem Zeitpunkt ein, als Katharina von Bora, angeregt durch die Schriften Martin Luthers, die heimlich im sächsischen Kloster Nimbschen kursieren, ihr bisheriges Leben grundlegend in Frage stellt: Wenn sich Gott nicht durch gute Werke kaufen lässt, wenn Keuschheit nichts bewirkt, wie Luther schreibt, was hält sie dann noch in den Klostermauern gefangen? Sie flüchtet nach Wittenberg, um sich Luthers reformatorischer Bewegung anzuschließen. Eine zentrale Sequenz des Films arbeitet heraus, wie sich Katharinas Wunsch nach einem freien Leben an der Realität stößt: Ein selbstbestimmtes Leben als alleinstehende Frau war im Spätmittelalter unmöglich. Für Nonnen, die ihr Gelübde gebrochen hatten, gab es nur wenig Alternativen zur Ehe. „Am Ende bleibt doch nur das Freudenhaus“ sagt Barbara Cranach im Film zu Katharina von Bora, die sich weigert, „irgendwen zu heiraten“.
Wir haben uns mit der EIKON gerne der Herausforderung gestellt und die Federführung bei dieser Koproduktion übernommen. Uns war bei diesem Projekt wichtig, die bekannten historischen Ereignisse nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern inhaltlich eine ganz neue Perspektive erzählen zu können. Die einer jungen Frau, Katharina von Bora, die ihr bisheriges Leben hinter sich lässt, den Reformator Martin Luther heiratet und in ihrer Ehe mit ihm auf Augenhöhe gelangt. Wie sich die beiden ihren Ängsten und Zweifeln stellen und wie ihnen ihr Glaube dabei hilft, konnten wir zu einer sehr emotionalen und menschlichen Geschichte verdichten, die auch den heutigen Zuschauer erreicht und ihm die damalige Zeit näherbringen wird. In all ihren Umbrüchen und damit verbundenen Unsicherheiten gibt es dabei viele Parallelen zum Heute zu entdecken.
Ernst-Ludwig Ganzert, Eikon
Schnalkes Drehbuch zeigt das erstaunlich emanzipierte Handeln der Hauptfigur: Sie macht Luther, der bis dahin ein anarchisches Forscherdasein führt, einen Heiratsantrag. Sie ergreift die Initiative, die in die erste Liebesnacht mündet. Sie lebt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In acht Jahren bringt sie sechs Kinder zur Welt und macht als Hauswirtschafterin aus der Ruine des „Schwarzen Klosters“ ein florierendes Unternehmen, das Studenten und Gelehrte aus ganz Europa nach Wittenberg lockt. „Selbst in heutigen Zeiten ist es noch ungewöhnlich, dass eine Frau ihren Handlungsspielraum derartig ausweitet, wie Katharina es getan hat“, resümiert von Heinz. Katharina und Martin Luther führen eine Ehe auf Augenhöhe. Sie sind, so legt es der Film nahe, das erste Power-Paar Europas. Die Schauspielerin Karoline Schuch ist die ideale Besetzung für die facettenreiche Titelfigur, die durch ihre Menschlichkeit – ihre Ängste und Zweifel, ihre Liebes- und Leidensfähigkeit, ihre Hoffnungen und ihren Willen – berührt. Schuch arbeitet in diesem Film bereits zum wiederholten Mal mit von Heinz und Knapp zusammen – eine weibliche Trias, die das Lutherjahr um eine feministische Perspektive erweitert. Eine Perspektive, die, so Mario Krebs (Eikon Süd), einer der vier Produzenten des Films, „leider keinen Eingang in die Geschichtsbücher fand“.
Bemerkenswert ist, wie selbstverständlich der Film die Theologie im alltäglichen Leben seiner Figuren verankert. Dabei stehen die Visionen von der Hölle und dem Teufel im Mittelpunkt, mit denen die mittelalterliche Kirche ihre Gläubigen in Angst und Schrecken versetzte: „Angst, Jahrhunderte lang nichts als Angst. Unsere Kinder werden die ersten sein, die ohne Angst vor Gott aufwachsen“, sagt im Film Martin Luther (Devid Striesow spielt ihn als das „Naturereignis“, als das Luther gerne beschrieben wurde). Doch die Vorstellungen von Sünde und Teufel sitzen tief. Als Katharina mit ihrem ersten Kind schwanger ist, hat sie einen Alptraum, in dem sie eben jene „Ausgeburt des Satans“ zur Welt bringt, vor der sie bereits im Kloster gewarnt wurde – ein Zeichen dafür, wie sehr sie die alten Glaubensgrundsätze verinnerlicht hat.
Martin Luther litt sein Leben lang unter „Anfechtungen des Teufels“. Der Film nimmt den Tod seiner zwölfjährigen Tochter Magdalena zum Anlass, dem Zuschauer den Menschen hinter dem Reformator nahe zu bringen. Seine Trauer stürzt ihn in eine schwere Krise, die er als Ringen mit dem Teufel deutet. Auch Katharina kann nicht anders, als im Tod ihrer Tochter eine Strafe Gottes zu sehen. Berührend ist, wie eines ihrer Kinder sie aus ihrer Verzweiflung holt: „Mutter, Du musst nicht weinen, Magdalena ist jetzt in Gottes Armen, wo es immer warm ist und immer hell.“ Schließlich kann Katharina ihre Trauer überwinden und auch ihrem Ehemann Trost spenden. Das Kind, das durch ein Wort die Mutter tröstet, die Mutter, die den trauernden Ehemann zurück ins Leben holt – so veranschaulicht der Film Luthers Verständnis des allgemeinen Priestertums, wonach sich Christen, die „alle gleichmäßig Priester sind“, gegenseitig Mut machen sollen, ohne dass es dafür eines geweihten Priesters bedarf. Es ist kein geringes Verdienst des Films, diese theologische Pointe in eindrückliche Bilder zu übersetzen, sie unaufdringlich ins Ehe- und Familienleben der Luthers einzuweben, ohne dass der theologische Gehalt dadurch verwässert würde.