»Niemand möchte eine fünftägige Trauerfeier«. Also sind Alfred Holighaus, Linda Söffker und Thorsten Schaumann als Kuratorium der 50. Hofer Filmtage angetreten, den im März verstorbenen Festivalleiter Heinz Badewitz mit dem zu ehren, was ihm selbst am meisten entsprochen hätte – einem hoch interessanten Programm. Ein Gespräch mit Kuratoriums-Sprecher Alfred Holighaus über die Jubiläumsausgabe eines besonderen Festivals.
Interview: Christina Raftery
Schaufenster des deutschen sowie internationalen Films und kultureller Leuchtturm für die Region: Dazu sind die Hofer Filmtage als Festival ungewöhnlich emotional besetzt. Viele der erfahrensten, abgeklärtesten Branchengrößen wirken, wenn man sie auf Hof anspricht, geradezu sentimental verklärt.
Alfred Holighaus: Diese Kollegen verbinden mit Hof wahrscheinlich einen Teil ihrer beruflichen Biografie, die noch nicht so abgeklärt war. Einmalig ist natürlich auch die Kontinuität des Festivals, das 50 Jahre lang zu 100 Prozent von einer einzigen Person geprägt war. Heinz Badewitz hat an seiner ursprünglichen Festivalidee festgehalten, obwohl sich die Stadt, das Land und die ganze Filmkultur immer stärker verändert haben.
Dazu gehört ein besonderes Talent für die Förderung junger Filmemacher. In Ihrer Laudatio zum First Steps-Ehrenpreis 2014 für Heinz Badewitz erwähnten Sie, dass Sie in frühen Jahren zufällig Roger Corman, David Cronenberg und Sam Fuller begegneten, dass sich John Carpenter sowohl in der Hofer Innenstadt als auch auf dem Fußballplatz verirrte …
… und dass mir Peter Jackson 1994 an einem Nachmittag im Hotel Strauss auf seinem Laptop zeigte, dass Kino demnächst auch am Computer entstehen könne. Ja, auch ich werde bei Hof sentimental und habe dort sehr starke, unterschiedliche und durchgeknallte Dinge erlebt.
Spielt bei der positiven Nostalgie auch eine Sehnsucht nach Orientierung und Verlässlichkeit eine Rolle? Lässt sie sich so, wie sie Heinz Badewitz verkörperte, in die Zukunft übersetzen?
Es wird sich zeigen, ob diese Verlässlichkeit wirklich an Heinz’ Person gebunden war – es gibt ja keine Gegenprobe. Ich gehe aber schon davon aus, dass beides stark zusammenhängt. Aber über 50 Jahre hat das Festival auch eine Eigendynamik entwickelt. Eine unverwechselbare Energie, die weiterleben kann.
Eine Energie, zu der auch das Team und die Festivalbesucher beitragen?
Ja, das Gerüst rund um Heinz ist zum Glück geblieben. Für Linda Söffker, Thorsten Schaumann und mich schuf es die angenehme Situation, dass es für uns bei der Filmauswahl blieb und alles andere eingespielt organisiert wurde. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, ein angemessenes Jubiläum zu gestalten. Wenn es gelingt, ist es ein Zeichen für die Zukunft.
Quer durch die Branche ist Entschlossenheit spürbar, das Festival weiter machen zu wollen.
Der Rückhalt durch die Branche, den Trägerverein, die Stadt Hof und das Land Bayern ist in der Tat stark. Derzeit gibt es noch keine Ausschreibung für die neue Leitung, aber direkt nach der Jubiläumsausgabe beginnt die Suche nach einer Persönlichkeit, die die Hofer Filmtage gut kennt und die ihnen von innen heraus verbunden ist. Es geht ja nicht nur darum, einen neuen Festivalleiter zu finden, sondern heraus zu finden, mit welchen Ideen man eine Institution ersetzen kann, die 1:1 mit dem Festival verschmolzen war.
Wie werden sich vom 25. bis 30. Oktober Rückblick, Gedenken und Perspektive die Waage halten?
Es wird wichtig sein, wie sich die Jubiläumsausgabe für Besucher und Publikum anfühlen wird. Niemand möchte eine fünftägige Trauerfeier. Selbstverständlich wird es Erinnerungsmomente und konkrete Jubiläumsprogramme geben, schließlich blicken wir auf ein Lebenswerk zurück. Es soll aber nicht im Zentrum stehen, dafür wäre Heinz nicht zu haben gewesen. Für das Jubiläum wollte er ein Programm wie immer.
Wie wird dieses Programm aussehen?
Retrospektiv zeigen wir fünf Programme, die für die fünf Jahrzehnte stehen, beginnend mit Kurzfilmen von Vlado Kristl, Werner Herzog, Wim Wenders und Hans Noever, mit denen das Festival in den 1960er Jahren angefangen hat. Dazu kommen für die 1970er Messer im Kopf von Reinhard Hauff, Doris Dörries Männer von 1985, Tom Tykwers erster Spielfilm Die tödliche Maria aus dem Jahr 1993 und Maren Ades Debüt Der Wald vor lauter Bäumen, der 2003 in Hof Premiere feierte. Mit all diesen Filmen sind große Hofer Momente mit Folgen für den deutschen Film insgesamt verbunden. Es wird darüber hinaus eine Gesprächsrunde mit Vertretern verschiedener Generationen geben, in deren Rahmen wir über die Geschichte des Festivals und den Zustand des deutschen Films sprechen. Die Runde hatte ich mit Heinz bereits zur Berlinale verabredet. Es gehört ja untrennbar zu Hof, dass man über aktuelle Entwicklungen nachdenkt.
Wäre dieses Filmjahr geeignet, in Hinsicht auf den deutschen Film Aufbruchsstimmung zu verbreiten?
Wir haben keine perspektivische Richtung festgelegt, es geht um 50 Jahre. Alles andere wird normales Festivalprogramm mit Highlights aus dem deutschen Filmschaffen und den internationalen Festivals, mit dem Filmpreis der Stadt Hof, dem Förderpreis Neues Deutsches Kino, dem Bild-Kunst Förderpreis, dem Hans-Vogt-Filmpreis, dem Dokumentarfilmpreis „Granit“ – und natürlich dem Fußballspiel.
Das Kernteam des Festivals besteht vor allem aus Menschen aus der Region. Die Mitglieder des diesjährigen Kuratoriums kommen jedoch aus München und Berlin …
Der Vorzeige-Hofer war ja auch schon länger ein Münchner: Bereits zur ersten Ausgabe der Hofer Filmtage lebte Heinz nicht mehr in seinem Heimatort. Die Stadt ist es also gewohnt, dass das Programm von außerhalb gemacht wird. Das tut der lokalen Unterstützung keinen Abbruch. Wir durften mit dem Team von Heinz arbeiten, einem Team, dessen Kompetenz in der Branche anerkannt ist und das konkret und persönlich mit Heinz verbunden war. Ich komme nun seit 35 Jahren nach Hof und fühle mich dort verwurzelt: Ich bewege mich blind zwischen den Kinos, dem Hotel Strauss und dem Sportplatz der Freien Turnerschaft.
Sie, Linda Söffker und Thorsten Schaumann beweisen neben Verbundenheit auch großes Engagement und kuratieren das Festival ehrenamtlich neben Ihren Hauptberufen.
Sicher, wir sichten die Filme vor allem nachts, aber mich macht das eher munter, als dass es mich anstrengt.
Die alte Lust am Programm machen?
Könnte sein. Mein jetziger Schwerpunkt in der filmpolitischen Arbeit war ja auch keine bewusste Abwendung vom Kreativen – und schon gar nicht von den Kreativen.
Und hat das Publikum in Zeiten nahezu unerschöpflicher Filmangebote im Internet immer noch Lust an kuratierten Programmen?
Da bin ich ganz sicher. Kuratoren sind in keiner Hinsicht durch Algorithmen ersetzbar. Die Tatsache, dass vieles zu jeder Zeit verfügbar ist, heisst nicht, dass Menschen es automatisch in Anspruch nehmen und sich für Ungewohntes interessieren, wie uns die Digital-Apologeten weismachen wollen. Es ist hilfreich, Vorschläge zu machen und persönliche Kontakte herzustellen. Neben den kurzen Wegen war immer auch die Nahbarkeit der Filmemacher ein Markenzeichen von Hof – dazu das begeisterte Publikum, das immer noch schätzt, dass in ihrem Kino einmal im Jahr Dinge passieren, die sonst nicht stattfinden.
Gab es für Sie Überraschungen beim Sichten?
Unter den Entdeckungen sind gleich drei deutsche Thriller, ein Genre, mit dem gerade offenbar gerne gespielt wird. Einer davon spielt am Tegernsee! Ansonsten beschäftigt sich der Filmnachwuchs natürlich mit den aktuellen Fragen der Gesellschaft.
Letzte Frage: Wird es in diesem Jahr vor dem Kino auch Tofu-Bratwürste geben?
Ich hoffe nicht (lacht). Da höre ich den unbeirrbaren Oberfranken Heinz Badewitz mit seinem Standard-Argument: „Das geht nicht, weil es nicht geht“.
Foto: Das Kuratorium der 50. internationalen Hofer Filmtage: Thorsten Schaumann, Alfred Holighaus und Linda Söffker (v.l.)