Wichtiges Vertrauen – Zum aktuellen Film „Paradies“ von Andrei Konchalovsky

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Er gehört zu den wichtigsten Regisseuren Russlands: Andrei Konchalovsky. Sein aktueller Film spielt auch in Deutschland. Auf der Suche nach einem deutschen Koproduzenten stieß er auf eine junge bayerische Produktionsfirma und drehte in Nürnberg und Oberfranken mit FFF-Förderung.

Text Olga Havenetidis

Gleich zwei Leute sprachen Florian Deyle im Februar auf das Projekt an. Erst ein Regisseur und Autor, dann auch noch sein Bruder. Es dauerte nicht lange, da war er Koproduzent des neuen Films eines bedeutenden russischen Autorenfilmers.

Florian Deyle ist Produzent, seine Firma heißt DRIFE Filmproduktion. Bekannt wurde sie mit Ralf Westhoffs Shoppen, erfolgreich war sie auch mit Waffenstillstand, vor sechs Jahren ging an sie der VGF-Nachwuchsproduzentenpreis. Als letztes produzierte Florian Deyle Wir sind die Neuen. Ihren Sitz hat DRIFE im Filmzentrum.

Der Regisseur und Autor, der Florian Deyle ansprach, war Stanislav Güntner. Er wirkte bereits mit bei diesem Projekt und richtete aus, dass der Regisseur einen deutschen Koproduzenten suche. Der Bruder, der ihn ebenfalls darauf ansprach, ist Philip Schulz-Deyle, der zuletzt als Koproduzent mit Moritz Bormann Oliver Stones Snowden nach Bayern geholt hat. Deyle, Schulz-Deyle und Güntner sind, ob verwandt oder nicht, Absolventen der HFF München.

Das Projekt schließlich – es ist der historische Film Paradies von Andrei Konchalovsky. Für Die weißen Nächte des Postboten Alexei Trjapizyn zeichnete ihn die Jury auf der Mostra in Venedig 2014 mit einem Silbernen Löwen aus. Der Regisseur, 1937 in Moskau geboren, hat in der Sowjetunion, in Hollywood und in Russland fast 30 Filme inszeniert, darunter Literaturverfilmungen, Arthouse und Actionfilme, wie Runaway Train, Tango und Cash und The Inner Circle. An der staatlichen Filmhochschule der Sowjetunion traf er auf Andrei Tarkowski und wirkte bei einigen seiner Filme mit. Und nun produziert er mit Florian Deyle seinen aktuellen Film.

Paradies handelt von drei Menschen, Olga, Helmut und Jules, die einander während des Zweiten Weltkrieges im besetzten Frankreich begegnen und miteinander verstrickt sind. Der Film erzählt ihre Geschichte linear, jedoch unterbrochen von Verhörszenen, die den Zuschauer über Ort, Zeit und Anklage im unklaren lassen. Nur ganz am Ende, in der letzten Verhörszene, wird dieses Geheimnis gelüftet, vielleicht.

Konchalovsky wollte diesen Stoff an den Orten umsetzen, an denen sie spielen. Dazu gehört, aus inhaltlichen, historischen Gründen, Deutschland. Deshalb hat er nach einem deutschen Koproduktionspartner gesucht. Kaum hatte Florian Deyle von Güntner und seinem Bruder davon erfahren, bemühte er sich um die Kooperation. Als alles unter Dach und Fach war, gab es nur noch zwei Herausforderungen: Geld und Mentalität. „Du hast kein Geld, aber das Vertrauen, das du nicht enttäuschen willst“, sagt Florian Deyle heute, wo alles überstanden ist. Die Arbeit an der Finanzierung begann. Deyle fragte sich, ob es eine Chance auf Förderung von Eurimages gäbe. Es seien wenig russische Filme gefördert worden, das wäre ein Vorteil. Es könnte Ressentiments aufgrund der politischen Situation geben, das wäre ein Nachteil. Schließlich kam die Zusage, und mit ihr 420.000 Euro von Eurimages. Der FFF Bayern empfahl das Projekt mit 250.000 Euro zur Förderung. Am Ende hat die Produktion nahezu zwei Millionen Euro in Bayern ausgegeben. Das Vertrauen, es wurde auf keiner Seite enttäuscht.

Weitere Finanzierungspartner für Andrei Konchalovsky Studios und DRIFE Productions waren das Ministry of Culture, der größte staatliche Sender Russia Two und die Charity Foundation. Es war die erste richtige internationale Koproduktion für DRIFE. Deyle musste damit auch „eine andere Kultur in der filmischen Zusammenarbeit“ lernen, wie er es heute ausdrückt. Abgesehen davon, dass er ständig einen Übersetzer gebraucht hat, weil er selber kein Russisch konnte und viele der russischen Teammitglieder weder Deutsch noch Englisch sprachen. Allein schon die Arbeitsweise des Regisseurs war für Deyle neu. Konchalovsky erschien täglich um 12 Uhr mittags am Set. Zwei Stunden lang richtete er das Set ein, bestimmte Kamerapositionen. Zwei Stunden lang widmete er sich allein den Schauspielern. Zwei Stunden drehte er tatsächlich in einer hohen Intensität. Um 18 Uhr war er fertig, Tag für Tag. Jede Kleinigkeit, die an diesem Set passierte, wurde ausschließlich von einem Mann bestimmt: dem Regisseur. Eines Tages zum Beispiel hatte Konchalovsky kurzerhand beschlossen, es sei doch schön, für den Dreh diese vierspurige Straße in Nürnberg sperren zu lassen, Drehbeginn in einer Stunde. Das Ergebnis: Die Polizei sperrte die vierspurige Straße spontan, der Dreh startete pünktlich. Jede Szene wurde innerhalb eines 180 Grad-Bogens mit fünf Kameras fotografiert, und so gibt es in dem Film keine klassische Schuss-Gegenschuss Perspektive. Das ist nicht etwa der Stil Konchalovskys; sein Stil besteht darin, den Stil jedem Stoff anzupassen.

Nürnberg, soeben als Drehort des Jahres 2015 ausgezeichnet, lieferte einige Motive für den Film, der in Schwarzweiß und im Format 4:3 fotografiert wird, um formal mit den hineingeschnittenen historischen Originalaufnahmen übereinzustimmen. Gedreht wurde zum Beispiel im Schloss Stein, wo sich in der Filmhandlung das Büro Himmlers befindet. An 4 Tagen drehte das Team außerdem in Friesenhausen. Auf den Ort kam die Produktion, weil Deyle den Auftrag hatte, einen „protestantisch aussehenden Landsitz, der nicht typisch barock ist“ zu finden. Dieses würde das in der Erzählung vorkommende ostpreußische Offiziersschloss abbilden. Nachdem er schon 100 Schlösser besichtigt hatte, fand Florian Deyle dieses Schloss in Friesenhausen. Eines der Gutshäuser von Schloss Stein schließlich, der sogenannte Appelhof, diente mit seiner französisch anmutenden Fassade als französisches Schloss.

Die Dreharbeiten laufen zur Zeit noch in Moskau und Umgebung. Ein deutscher Verleih ist bereits gefunden: Alpenrepublik. Die Postproduktion wird ARRI übernehmen. Ganz am Ende der Dreharbeiten steht übrigens noch diese Szene an, in der die Verhörszene aufgeklärt wird oder auch nicht aufgeklärt wird. Ganz bewusst hat der große russische Autorenfilmer diese Szene an das Ende des Drehplans gesetzt. Florian Deyle jedenfalls vermutet, dass Andrei Konchalovsky selber noch nicht weiß, wie genau er diese Szene inszenieren wird. Wir werden es sehen.

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