Revoluzzer der Volksmusik – Interview mit Hubert von Goisern

Hubert von Goisern 1(c) movienet

Der österreichische Musiker Hubert von Goisern erfindet und definiert sich seit über 25 Jahren immer wieder neu. Er hat die Volksmusik revolutioniert, ist mit einem Schiff durch Europa getourt, um Brücken zwischen den Völkern zu schlagen. Der Film „Brenna tuat’s schon lang“ von Marcus H. Rosenmüller erzählt von den vielen verschiedenen Stationen des Künstlers. Ein Gespräch über die Entstehung des Films, die Synthese von Tradition und Moderne sowie die Bedeutung von Heimat.

Ein wiederkehrendes Motiv im Film ist das Angeln. Wann haben Sie damit begonnen?
Ich habe mit zehn Jahren mit dem Angeln begonnen. Es hat mich immer fasziniert, dass man von der Natur leben kann. Wenn man Pilze sammelt oder fischen und jagen geht, muss man mit der Natur eins werden und die Natur verstehen. Dieses Verschmelzen mit der Natur mag ich sehr gerne. Ein Teil eines großen Ganzen zu werden. Es beruhigt mich, dass man nicht unbedingt in einen Laden gehen und Geld haben muss, um etwas zu kaufen. Und diese Leidenschaft ist mir geblieben.

Eine romantische Vorstellung.
Ich glaube schon, dass ich ein sehr romantischer Mensch bin.

Wie entstand die Idee zum Film?
Die Idee hatte Hage Hein, mein Manager. Er hat meinen 60. Geburtstag zum Anlass genommen. Ich wollte bei diesem Projekt nicht mitarbeiten, da ich befangen bin, was die Sicht auf mich angeht und nicht gestaltend mitarbeiten kann. Ich wollte mir den Film auch nie im Entstehungsprozess anschauen. Als ich mich dann doch gezwungen habe, in das Archivmaterial zu schauen, war ich entsetzt.

Warum?
Das Archivmaterial reicht so weit in die Vergangenheit zurück. Damals war es vielleicht toll, aber jetzt würde ich das alles anders machen und finde die Ausschnitte teilweise hochpeinlich. Aber es war vielleicht doch nicht schlecht, dass ich es mir angeschaut habe. Ich habe zu Hage gesagt, dass ich mich sehr geehrt fühle, dass er so viel Energie, Zeit und Geld für einen Film über mich investiert. Aber er ist eben kein Filmemacher und wenn er will, dass es gelingt, muss er jemanden holen, der weiß, wie man einen Film macht. Damit er eine Sprache, einen Rhythmus, eine Linie bekommt. Ich habe ihn dazu gedrängt, dass er sich einen Regisseur sucht und mich riesig gefreut, als er den Rosi dafür gewinnen konnte.

Kannten Sie Rosi vorher?
Nein überhaupt nicht. Ich kannte einige seiner Filme und fand sie toll. Als wir uns dann kennenlernten, hat das die Erwartungen aber noch übertroffen, weil er einfach ein sehr wunderbarer Mensch ist.

Haben Sie dann zusammen an einem Konzept für den Film gearbeitet?
Das Konzept, wie diese verschiedenen Teile und Sprünge meines Lebens zusammengefügt werden können, hat sich der Rosi überlegt. Es geht ja nicht darum, dass man Sprünge glättet, sondern auch herausarbeitet. Und er hatte dann die Idee, das bindende Element des Wassers zu nehmen und mit mir auf den Hallstätter See hinaus zu fahren und dort die Reflexionen über meine Vergangenheit aufzunehmen.

Sie hatten ihren richtigen Durchbruch mit dem Song „Koa Hiatamadl“. Warum?
Die Zeit für so etwas war reif und ist gottseidank aufgebrochen. Es gab damals die Volksmusikszene, die Fundamentalisten, die überhaupt nicht zugelassen haben, dass sich etwas verändert und ihrerseits jede Moderne abgelehnt haben. Die nicht nur gesagt haben, dass ihre Musik so bleiben soll, sondern auch alles andere abgelehnt haben, was aus dem Radio kam. Ich bin aber mit Blues und Jazz aufgewachsen und wollte mit der Volksmusik-Szene nie etwas zu tun haben, weil das so ausgrenzend war. Auf der anderen Seite gab es das Phänomen des Musikantenstadl, das an Peinlichkeiten nicht zu überbieten ist. Das auch seine Berechtigung hat, aber für junge Menschen, die im Hier und Jetzt zu Hause sind, war das alles abstoßend. Natürlich gab es auch eine Sehnsucht nach Identität und den Wurzeln der Gesellschaft, in der man lebt. Da war das plötzlich die große Erleichterung, dass jemand wie ich gekommen ist, der mit den Wurzeln spielt, aber sie ins Hier und Jetzt transportiert. Als mir diese Synthese zwischen alt und neu gelungen ist, bin ich offene Türen eingerannt.

Hat Sie das auch ins Ausland geführt?
Ich wollte eigentlich immer raus und habe gesagt, dass es nicht sein kann, sich auf diesen kleinen alpinen Bereich zu beschränken. Auch dieses Gefühl, dass wir dauernd von Sachen und Dingen überschwemmt werden, die aus Amerika, England oder China kommen, hat mich beschäftigt. Das soll so sein, aber es kann nicht angehen, dass es diesen Transfer von hier nach draußen nicht gibt. Deshalb war ich immer sehr dahinter, dass wir uns öffnen und sagen, hey, hört mal zu, so sind wir.

Wie erklären Sie sich den internationalen Erfolg ihrer Musik, vor allem auch in den USA?
Die neue Musik, die ich jetzt herausbringe, hat sehr viel mit Amerika zu tun. Die Auswanderer haben unsere Musik in die USA gebracht, die dann zur Country Musik wurde und mit dem Blues der Schwarzen vermischt wurde. Der Blues ist nicht weit weg von unserer Volkmusik, und es besteht eine große, enge Verwandtschaft dazwischen. Deshalb bin ich offene Türen eingerannt, da ich das gespielt habe, was die Amerikaner kennen und was uns verbindet. Ich habe auch keinen Amerikaner kennengelernt, der nicht über seine Wurzeln gesprochen hat und keine Vorfahren aus Deutschland oder Österreich hatte. Die Amerikaner spüren immer noch diese alte Seele, die sie in sich tragen. Und dann kommt jemand wie ich, der das mit der Musik zum Schwingen bringt.

Wenn Sie jetzt in ihr Heimatdorf zurückkehren, wird dann ihre Art und Interpretation der Volksmusik von den Einheimischen akzeptiert?
Früher gab es die Fundamentalisten in der Musik und dann die politischen Fundamentalisten. Damals gab es Jörg Haider, der auch aus Goisern kam. An dem habe ich kein gutes Haar gelassen und das auch bei jedem Auftritt deutlich gemacht, dass ich mich schäme, mit so jemandem in Verbindung gebracht zu werden. Der hatte aber über 30% Wähler in Goisern. Die haben sich auch angegriffen gefühlt und haben lautstark geäußert, dass ich ein Nestbeschmutzer sei und eine Tradition verunreinige mit Klängen, die hier nichts zu suchen haben. Aber die meisten Leute sind inzwischen gestorben.

Eines Ihrer großen Projekte war die Linz Europa Tour, bei der Sie mit einem Schiff die Donau auf- und abwärts bis ins Schwarze Meer und nach Rotterdam gefahren sind. An Bord waren Musiker aus den befahrenen Ländern. Wo und wie haben Sie diese gefunden?
Ich bin die ganze Strecke mit dem Auto gefahren. Einmal im Frühjahr, einmal im Herbst und habe mit allen Leuten gesprochen und nach der Musik vorab gesucht. Ich habe mit sehr vielen Politikern, Hafenbehörden, Konzertagenturen und Musikern gesprochen. Ich habe mich eigentlich nur in zwei Sachen geirrt. In Ungarn und der Slowakei dachte ich, es wäre am einfachsten, Musiker zu finden, weil die Länder so nah sind. Da habe ich mich nicht so intensiv mit beschäftigt und bin dann zu spät drauf gekommen, dass ich mit den Musikern und der Organisation nicht ganz so zufrieden war. Das waren die einzigen Punkte, bei denen ich sagen musste, dass es besser hätte laufen können.

Was war das prägendste Erlebnis auf der Schiff-Tour?
Es gab einige ganz, ganz tolle überraschende Momente. In Serbien zum Beispiel, bin ich mit dem Auto 2006 in ein kleines Dorf gefahren und habe mir nicht vorgenommen, dass ich dort spielen will. Wir haben dann trotzdem spontan unangekündigt ein Konzert gespielt, zu dem 2000 Leute kamen. Das war ein riesengroßes Fest. Eigentlich hätte ich am liebsten die ganze Tour so gemacht. Stehen bleiben und an den Behörden vorbei spielen. Toll war es auch in der Ukraine, wo der Bürgermeister das Konzert absagen wollte, da er pro-russisch war und auf Ukrainisch gesungen werden sollte. Ich habe ihn dann aufgefordert, den Besuchern zu sagen, dass sie nach Hause gehen sollen. Dann ist er feige abgehauen.

Konnten Sie zwischen den Ländern Brücken schlagen?
Es müsste einfach viel mehr passieren. Das Schiff war ein Anfang. Es hätte jemanden gebraucht, der das Schiff für 1 Million kauft und als Kulturplattform weiter fahren lässt. Es wird so viel Geld für Scheiß ausgegeben, Milliarden, und diese 1 Million für das Schiff waren nicht zu finanzieren.

Sehen Sie sich als politischen Musiker?
Ich bin ein politisch denkender Mensch. Aber ich bin kein politisch agierender Mensch. Ich sehe mich als Künstler, und diese Aufgabe nehme ich schon ernst, weil man auf der Bühne steht und ein Ansehen und eine Vorbildwirkung hat. Künstler, die sich politisch engagiert haben, haben sich oft peinlich gemacht. Da habe ich immer gedacht, dass man aufpassen muss, was man sagt.

Movienet startet den Film am 23. April in den Deutschen Kinos

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