In seinem Abschlussfilm »Die Maßnahme« (schöne neue filme/BR) begibt sich Alexander Costea in Räume eines Außenseiters.
Was passiert mit einem Menschen, dem die Gesellschaft das Vertrauen entzieht? Welchen Stellenwert hat Vertrauen in unseren Beziehungen? Wie bringt uns Misstrauen dazu, einander feindlich gegenüber zu stehen? Diesen Fragen geht Alexander Costea in seinem Film „Die Maßnahme“ nach, der in der Reihe Neues Deutsches Kino auf dem Filmfest München am 28. Juni 2015 Premiere feiert. Das Drama handelt von einer ungewöhnlichen Freundschaft zweier unterschiedlicher Männer – dem einsamen, einfältigen Trinker Werner und dem aufgeräumten, selbstbewussten, jungen Polizisten Roland. Dieser wird als verdeckter Ermittler in die bayerische Provinz geschickt, um Werner des Mordes zu überführen. Werner ist in seinem Heimatdorf als Asozialer und Alkoholiker bekannt und führt seit Jahren auf einem heruntergekommenen Bauernhof ein Leben als gesellschaftlicher Außenseiter. Sein mutmaßliches Opfer war eine Kollegin aus der Recycling-Werkstatt, in der er arbeitet. Roland soll sich nun, als Ex-Knacki getarnt, mit Werner anfreunden, sein Vertrauen gewinnen und ihn zu einem Geständnis überführen.
Inspiriert zum Film hat Alexander Costea eine wahre Begebenheit. „Ich habe von dem Fall das erste Mal in einem Radiobeitrag gehört. Da ging es um falsche Geständnisse. Einer der Beiträge ist um einen realen Mordfall gekreist, der sich in Norddeutschland ereignet hat. Ein verdeckter Ermittler wurde auf einen gesellschaftlichen Außenseiter angesetzt, da man den Verdacht hatte, er hätte jemanden umgebracht. Nur im Kern war das eine Freundschaftsgeschichte. Die hat mich aber gleich interessiert, da es so tragisch war“, erzählt Costea. Die menschliche Kälte, mit der die Ermittlung durchgeführt wird, die Grausamkeit und Ambivalenz, die dahinter stecken, weckten das Interesse des Regisseurs, daraus einen Spielfilm zu machen. „Die Ermittlerarbeit klingt auf den ersten Blick entsetzlich, aber gleichzeitig ist es legitim, da es um eine Straftat geht. Das hat mich gereizt“, berichtet Costea.
Im Film gewinnt Roland schnell das Vertrauen von Werner und freundet sich mit ihm an. Die beiden unternehmen viel gemeinsam, Werner lässt Roland an seinem Leben teilhaben und langsam kommt Roland Werners Geheimnis näher. Doch je länger er ermittelt, desto prekärer wird die Beziehung auf beiden Seiten. Als sich Werner mehr und mehr öffnet und seinen wahren Charakter zeigt, entwickelt Roland echte Gefühle für den Außenseiter und beginnt, an dessen Schuld zu zweifeln. „Es ist eine ambivalente Situation. Man kann nicht sagen, wie furchtbar das ist. Je intensiver die Beziehung ist, umso härter ist es für die Beteiligten. Es gibt ja auch Fälle, wo verdeckte Ermittler Liebesbeziehungen eingehen und auf diese Art gegen einzelne Personen ermittelt wird. Das finde ich dann noch schlimmer“, erklärt Costea.
Die Methoden, die Roland im Film anwendet, sind an realen Fällen abgeguckt. Genaue Informationen bekam Costea vom LKA, von Anwälten, gegen deren Mandanten ermittelt wurde und von einem Betroffenen, gegen den auf diese Weise vorgegangen wurde, der aber wieder auf freiem Fuß lebt. In seiner Darstellung der Geschichte legt der Regisseur großen Wert darauf, die Figuren nicht einfach in Gut und Böse einzuteilen. Er verurteilt sie nicht. Der Fokus liegt ganz auf der psychologisch und moralisch komplexen Situation, in der sich die beiden Männer befinden und die hauptsächlich über Dialoge verdeutlicht wird. Von ihrem Annäherungsprozess erzählt Costea mit präzise komponierten Bildern und fast schon dokumentarischer Authentizität. „Chaos und Ordnung waren die Motive, nach denen wir gearbeitet haben. Wir wollten einerseits eine Strenge erzeugen und andererseits etwas Losgelöstes. Wenn Roland bei Werner auf dem Hof ist oder sich in seine Welt begibt, sind die Szenen lockerer, gelöster und oft mit Handkamera gedreht. In den Szenen, in denen der Zuschauer mit Roland alleine ist, haben wir oft vom Stativ gedreht“, so Costea. Auch die Szenen, in denen Roland der Polizei von seinen Fortschritten ganz nüchtern berichtet, sind ruhig erzählt. „Das ist eine Art der Erzählung, die mir sehr entspricht. Ich mag es, wenn nach Möglichkeit so wenig wie nötig geschnitten wird und man sich zurücknimmt“, sagt Costea.
Der Zuschauer wird auf diese Art unmittelbar in die Geschichte hineingezogen und muss selbst entscheiden, wie er mit der Schuldfrage umgeht, ob das Verhalten von Roland legitim ist und wie er sich selbst in Rolands Situation verhalten hätte.
Fragen, die einen noch lange nach dem Film beschäftigen und einen Unterschied zu herkömmlichen Krimis ausmachen.
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