Matthias Lang erzählt in seinem Debütfilm „König Laurin“ eine originäre Geschichte, eingebettet in die berühmte Südtiroler Sage um den Zwergenkönig Laurin und seinen magischen Rosengarten. Am 1. September 2016 startet der Film deutschlandweit in den Kinos. Ein Gespräch mit Regisseur Matthias Lang und Produzent Felix von Poser über Zwerge als Identifikationsfiguren, ambitionierte Debütfilme und erfolgreiches Crowdinvesting.
„König Laurin“ hat mit Preisen beim Kinderfestival Goldener Spatz und dem Filmfest München einen erfolgreichen Start hingelegt, obwohl die mittelalterliche Sage um König Laurin außerhalb Südtirols wenig bekannt ist. Warum kommt sie trotzdem bei den Kindern so gut an? Was macht König Laurin heute noch zu einer attraktiven Kinofigur?
Matthias Lang: Kinder identifizieren sich meiner Meinung nach eher mit Zwergen als mit Riesen. Die Thematik, dass es egal ist, ob man groß oder klein ist und dass die kleineren, feminineren Werte auch wichtig und nicht zweitrangig sind, gefällt den Kindern. Als Mann oder Held muss man sich keinen gesellschaftlichen Normen unterwerfen.
Mich persönlich hat immer fasziniert, dass König Laurin einen Rosengarten hat. Das fand ich ein schönes Bild. Außerdem besitzt Laurin die zwei coolsten Dinge, die mich als Kind begeistert haben: einen Tarnmantel und Kraftgürtel. Laurin hat für mich immer das Beste aus Pumuckl und Asterix vereint: sich unsichtbar machen und stark sein.
Bisher gab es noch keine Verfilmung von der König Laurin Sage. Wann war dir klar, dass du die Geschichte um den Zwergenkönig als Debütfilm realisieren möchtest?
Matthias Lang: Ich wollte immer mit einem langen Film mein Diplom an der HFF München machen. Mit einem Kurzfilm ist man auch oft zwei, drei Jahre beschäftigt. Deshalb wollte ich gleich mit einem Langfilm abschließen, einem Abenteuerfilm. Ich wollte das Verrückte probieren. Das Kleinere könnte man dann ja immer noch nachholen. So habe ich mit dem größenwahnsinnigen Projekt vor ungefähr fünf Jahren begonnen. Wenn schon, denn schon.
Wie kam die Idee an der HFF München an?
Matthias Lang: Ich habe meine beiden Übungsfilme 03 und 04 zusammengelegt. Die HFF München war froh, dass jemand ein Debütfilm-Drehbuch überhaupt einreicht. Dort heißt es ja immer: reinkommen ist unheimlich schwer, aber rauskommen ist noch viel schwieriger. Meine Idee wurde zwar als verrückt empfunden, aber ich wurde in meiner Entscheidung von Anfang an unterstützt.
Vorher hatte ich noch nie ein langes Drehbuch geschrieben. Deshalb habe ich mich vor dem Schreibbeginn erst einmal ein halbes Jahr lang in die Bibliothek gesetzt und um die 100 Drehbücher gelesen und Filme analysiert. Dort saß einmal fünf Reihen vor mir Christian Ditter, der an seinem Hollywood-Debüt geschrieben hat. Ich habe ihn angesprochen und gefragt, ob er meine Drehbuchfassung einmal lesen könne. Er hat ein sehr tolles Feedback gegeben, das mich immer inspiriert hat, weiterzumachen.
Außerdem habe ich an einem Programm der HFF München teilgenommen, das „VdBl – Von den Besten lernen“ heißt. Das ist ein Mentoren-Programm für Abschlussfilme und wird auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Ich habe mir Sebastian Niemann als Mentor für „König Laurin“ gesucht, der mir viel Feedback zum Drehbuch und später dann auch während der Dreharbeiten gegeben hat und mir beratend zur Seite stand.
Was hat dich überzeugt, König Laurin zu produzieren? War dir die Geschichte um König Laurin vorher bekannt?
Felix von Poser: Die Geschichte kannte ich nicht. Matthias hat mir alle Infos zur Sage gepitcht und mich überzeugt, daraus einen Film zu machen. Bedenken, dass die Sage zu regional ist, hatte ich aber schon. Deshalb haben wir uns von Anfang an bewusst dazu entschieden, den Film als Originalstoff zu realisieren. In Südtirol besteht zwar der Marketing-Vorteil mit der Sage, aber darüber hinaus ist es für uns ein Originalstoff.
Du hast den Stoff modernisiert. Worin besteht der Unterschied zwischen der Sage und deinem Film? Was hast du verändert und warum?
Matthias Lang: Die Sage um König Laurin hat sich über 800 Jahre extrem entwickelt. Der König Laurin-Mythos basiert auf einer Heldensage von Dietrich von Bern. Außerdem gibt es den Ur-Laurin von circa 1250. Das ist ein Spielmannslied, bei dem der Spielmann erzählt, wie Dietrich von Bern neben vielen Riesen und Herrschern einen Zwerg besiegt hat. Diese Sage erzählt nur den Kampf zwischen einem Zwerg und dem König. Darüber hinaus gab es bei uns in Südtirol einen Sagenforscher, Karl Felix Wolf, der im 20. Jahrhundert – politisch war das nicht ganz unverfänglich – über die Sagen des Heimatlandes geforscht hat. In diesem Zusammenhang ist er auf die Sage des Alpenglühens gestoßen. Diese beiden Sagen hat er dann kombiniert und als Buch herausgebracht. Das ist die Version, die bei uns in der Grundschule unterrichtet wird. Aber da ist schon sehr viel Dichtung mit dabei.
Mich hat immer extrem gestört, dass König Laurin in der Fassung, die wir als Kinder kennenlernen, ein Bösewicht ist, weil er eine Prinzessin entführt. Er wird von Dietrich von Bern besiegt und alles ist gut. Das mochte ich nicht, da ich immer für den Zwerg war. Dass der Zwerg, der in unseren Bergen wohnt, ein Bösewicht sein soll, hat mich gestört. Deshalb wollte ich in meinem Film die wahre Begebenheit erzählen: Was dazu geführt hat, dass der Zwerg so gehandelt hat.
Einen Märchenfilm wie „König Laurin“ als Debütfilm zu produzieren, ist ein sehr anspruchsvolles Projekt. Worin lagen die größten Herausforderungen auf der Produktionsseite?
Felix von Poser: Es war ein sehr langer Weg, den Film zu produzieren. Die größte Schwierigkeit war die hohe Summe an Geld, die wir benötigt haben. Diese war schwer aufzutreiben. Außerdem musste der kreative Teil des Films viel anspruchsvoller sein als bei einem kleinen Debutfilm für 150.000 Euro. Ich musste viel mehr Partner überzeugen, viel mehr Geld zu geben. Deshalb hat die Drehbuch-Phase auch sehr lange gedauert, weil unsere Geldgeber vermutlich einen anderen Anspruch an solch einen Film hatten, als sie es zum Beispiel bei einem Arthouse-Drama gehabt hätten.
Die Partner haben uns mit großen Filmen verglichen und uns nicht wie Debüt-Filmemacher behandelt, denen man auch mal etwas durchgehen lässt. Sie haben sehr genau hingeschaut und auch am Drehbuch Kritik geübt.
Matthias Lang: Das war aber auch immer unser Anspruch: Wir können uns nicht nach der Vorstellung hinstellen und entschuldigen, dass Hollywood 100 Mal mehr Budget hat. Das ist den Kindern schnurzegal. Wir wollten alles für die Geschichte geben.
Felix von Poser: Viele Erstlingsfilme macht man für Festivals und um in der Branche wahrgenommen zu werden. So konnten wir den Film nicht finanzieren. Das war von Anfang an klar, weil der Film für solch einen Weg zu teuer war.
Ihr habt den Film unter anderem dann auch über Crowdinvestment finanziert.
Felix von Poser: Das kam ganz zum Ende hinzu, zwei Monate vor Drehbeginn. Als das gesamte Team bereits an Bord war haben wir festgestellt, dass der Film viel teurer wird, als angenommen. Natürlich hätten wir jedem sagen können, dass es keine vier Sprinter für die Kostümabteilung gibt. Aber dann wäre der Film eben auch nicht so geworden, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Deshalb haben wir noch einmal versucht, Geld aufzutreiben. Wir haben das Crowdinvestment bis zum fünften Drehtag laufen lassen und hatten dadurch die Möglichkeit, im Endspurt der Crowdinvesting-Finanzierung schon Bilder und Videos vom Set zu veröffentlichen. Das hat mehr bewirkt, als nur auf Grundlage eines Drehbuchs zu argumentieren.
Wir konnten glaubhaft darstellen, dass der Film finanziell und kommerziell funktioniert, was sehr selten ist. Wann kann man in Deutschland schon darstellen, dass man mit einem Film etwas verdienen kann? Bei uns gab es verschiedene Aspekte, die überzeugten: Das Genre, die Darsteller, das kleine Budget – was bedeutet, dass man sehr schnell in der Gewinnphase ist. Das Crowdinvesting war somit viel höher als wir erwartet hatten.
Während der Dreharbeiten hast du mit dem von dir eigens entwickelten Programm „Setnet“ gearbeitet. Was genau steckt dahinter?
Matthias Lang: Setnet soll das Filmemachen und primär die Arbeit des Regisseurs erleichtern. Das Ziel ist es, alle Daten und Informationen, die während eines Drehs entstehen, zentral zu sammeln und Arbeitsschritte zu vereinfachen. Beim Filmemachen ist vieles redundant. Für meinen Technik-Abschluss an der HFF München habe ich dann diese Software entwickelt, weil ich die Effizienz beim Filmemachen steigern wollte und es spannend fand, möglichst ohne Papier zu arbeiten.
Ein Tool betrifft zum Beispiel die Muster, die man jeden Tag bekommt. Dazu können vom Script/Continuity oder vom Tonmeister Anmerkungen gemacht werden, die dann importiert und zusammengeführt werden. Der Cutter kann somit automatisch sehen, um welchen Take es sich handelt und welche Kommentare vom Script, Tonmeister oder auch Regisseur kamen und damit weiterarbeiten.
Oft werden während der Dreharbeiten die verschiedenen Fassungen per Mail hin und her geschickt, so dass man diese oft nicht mehr auseinander halten kann. Setnet vereinfacht das Versionsmanagement, da man immer die aktuellste Fassung sieht und erkennt, wer was verändert hat. Da alles auf einem Server liegt und nicht auf einer Cloud, hat auch niemand Zugriff darauf. Die Daten bleiben also alle „inhouse“.
Felix von Poser: Ich fand das Programm vor allem auch in der Postproduktion sehr hilfreich, da wir alle neuen Versionen von VFX-Shots oder von Trailern dort hochgeladen und über Kommentarfunktionen direkt darüber diskutiert haben.
Bietest du das auch für andere Filmemacher an?
Matthias Lang: Ja. Das Ziel ist es, Setnet für andere verfügbar zu machen. Ich starte den Public Release wahrscheinlich im Herbst/Winter 2016.
Am 1. September startet „König Laurin“ deutschlandweit in den Kinos. Kann euer Film zwischen all den erfolgreichen Kinder- und Jugendfilmreihen mithalten?
Felix von Poser: Ich persönlich glaube, dass „König Laurin“ etwas ganz anderes bietet als die Filme, die es schon auf dem Markt gibt. Er ist zwar für Kinder gemacht, aber in der Erzählweise erwachsener, dunkler und ernster als andere Filme. Obwohl er auch seine lustigen, klamaukigen Elemente hat. Insgesamt ist er aber ein düsterer, dreckiger, mittelalterlicher Film. Nicht nur fröhlich und happy.
Matthias Lang: Aber man geht happy raus.
Zum Inhalt:
Theodor, Sohn des großen Königs Dietrich, ist viel zu klein für sein Alter. Um seinem Vater zu beweisen, dass er trotzdem was auf dem Kasten hat, möchte er unbedingt am anstehenden Ritterturnier teilnehmen – und wird von allen verspottet und ausgelacht. Als Theodor die Hoffnung schon aufgegeben hat, seinen Vater je stolz machen zu können, begegnet er dem geheimnisvollen Zwergenkönig Laurin und lernt, dass man nicht groß sein muss, um Großes zu vollbringen. Gerade noch rechtzeitig: Denn das Königreich ist in Gefahr und nur Theodor kann es retten …
König Laurin wurde produziert von Sparkling Pictures in Koproduktion mit Luftschloss Filmproduktion, Roxy Film, EMF Filmproduktion, Nico Bernhardt Filmproduktion, Mona Film und dem Bayerischen Rundfunk.
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