Die Medienlandschaft wandelt sich ständig – das weiß auch Egbert van Wyngaarden, Vorstandsvorsitzender des Transmedia Bayern e. V, einem Netzwerk für Transmediaschaffende. Damit die Medienlandschaft mit dieser rasanten Entwicklung mithalten kann, ist Innovation der Schlüssel zum Erfolg. Unter dem Einsatz verschiedener medialer Komponenten kann der User so viel tiefer in die Geschichte eintauchen, sie Erkunden und mit seinen Ideen und seinem Feedback aktiv an der Gestaltung der Erzählwelt teilnehmen. Doch wie können kreative Köpfe im Transmedia-Bereich zusammenarbeiten? Wie kann man potenzielles Publikum frühzeitig in die Kampagnen aus Film, TV, Internet, Games und User-Feedback miteinbeziehen? Diesen Fragen gingen Experten und Interessierte auf dem Transmedia Day am 26. Februar nach. Der Transmedia Day wurde vor vier Jahren vom Creative Europe Desk München ins Leben gerufen. Mittlerweile gehören auch das Bayerische Filmzentrum und das First Movie Programm, das Mediennetzwerk Bayern und der Verein Transmedia Bayern zum Organisationteam. Der Transmedia Day soll Medienschaffende miteinander vernetzen, Kooperation fördern und branchenübergreifende Synergien schaffen.
Innovation ist also der Schlüssel zum Erfolg – doch wie fördert man Kreativität und Einfallsreichtum? Darüber klärte Henning Patzner auf. Das Konzept des Kreativitäts- und Innovationstrainers: fokussiertes Arbeiten in kleinen Teams. Dabei darf der Spaß nicht fehlen. Wer Spaß an der Arbeit habe, so Patzner, könne viel kreativer sein. Wenn dabei auch noch der menschliche Spielrieb beflügelt wird, umso besser. Alles in allem zeigte Patzner, wie einfache Maßnahmen den Büroalltag spannender und interaktiver gestalten und so Innovation fördern können. Das einfachste Beispiel: Eine Rutsche im Treppenhaus macht gute Laune, lockert den ernsten Büroalltag auf und hilft, auch einmal ungewöhnliche Ideen zu erwägen.
Anschließend wurde der Transmedia Day deutlich konkreter. Margaux Missika von der Firma Upian zeigte anhand der Transmedia-Kampagne „Generation What“, wie per Web-Umfrage und YouTube-Videos ein Portrait der französischen Jugend erstellt werden konnte. Die Kampagne von France Télévisions schenkt der französischen Jugend eine Stimme. „Génération Quoi“, wie das Projekt in Frankreich heißt, stellte den Teilnehmern neben der Umfrage auch Interviews von andren Gleichaltrigen zur Verfügung, die die Umfrage beantworteten und zusammen über die Themen diskutierten. Teilnehmer konnten selbst ergründen, welche Einstellungen sie zu wichtigen gesellschaftlichen, politischen persönlichen Fragen haben, und anschießend einen Vergleich mit den anderen Teilnehmern heranziehen. Die Umfrage wurde extra für junge Menschen gestaltet und überzeugte zu ehrlichen Antworten und begeisterten Feedbacks. Dieses treibt auch Celine Moinereau, Leiterin der Digital-Strategies-Abteilung von France Télévisions zu weiteren Transmedia-Kampagnen an, mit neuen Transmediaprojekten das Userengagement im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu fördern.
David Varela begeisterte mit „Sherlock: The Network“, dem Handygame zur britischen TV-Serie „Sherlock“. Varela ist eigentlich Drehbuchautor und ist über seine Begeisterung für Userengagement und neue technische Möglichkeiten zum transmedialen Erzählen gekommen. Ihn fasziniere dabei, so Varela, dass die heutigen Möglichkeiten mehr als eine intellektuelle Komponente aufweisen – eine emotionale nämlich, die durch Transmedia viel besser vermittelt werden könne als durch die einzelnen konventionellen Medien. Dies bewies er anhand seines Projekts „Meet Lucy“, das mithilfe der Virtual-Reality-Brille „Oculus Rift“ das Leben in temporären Londoner Sozialwohnheimen zeigen soll. Möglich wird diese intensive Erfahrung durch eine Videobrille, über die Thomas Fickert von Dexperio sprach. Die technischen Möglichkeiten würden immer besser und könnten immer besser echte und virtuelle Realität kombinieren. „Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um auf diesen Zug aufzuspringen“, rät Fickert.
Auch für Filmemacher halten Virtual-Reality-Brillen neue Möglichkeiten bereit, wie der niederländische Transmediaspezialist Oscar Bastiaens verrät. Viele Schwierigkeiten ergeben sich dabei: Da der Nutzer seinen Blick schweifen lassen und auf eigne Fast den Bildfokus festlegen kann, wird es schwierig, das Set zu gestalten – denn wenn sich der Zuschauer dreht, kann er in der virtuelle n Brille einen Rundumblick sehen und damit auch die Kamera, den Beleuchter, das ganze Set. Sequenzen müssen an einem Stück gedreht werden, denn falls der Zuschauer eine Person länger betrachtet, darf kein Schnitt gemacht werden. Die virtuelle Realität muss, um echt zu erscheinen, ganz anders bearbeitet werden, als man es bisher vom Filmemachen gewohnt ist. Doch wenn diese Schwierigkeiten wären, so Bastiaens, wäre der Erfolg bahnbrechend: Das Erlebnis einer Geschichte wäre viel intensiver, wäre doch der Zuschauer wirklich mit eigenem Entscheidungsspielraum in die Handlung eingebunden.
Mit einer einfachen Nachricht betrat Jeff Gomez die Bühne: „Die Zeit des Broadcast ist vorbei.“ Transmedia sei nun der Mittelpunkt medialen Schaffens. Der Reiz bestünde in der Nutzereinbindung und Nähe, die eine transmediale Erzählung erreiche. Feedback ist Gomez sehr wichtig, der Nutzer kann seine Meinung anbringen und so aktiv an Projektentwicklung und -gestaltung mitwirken. Heutige Generationen wachsen bereits mit diesen Mechanismen auf und wollen mehr Inhalt, als ein Medium allein kommunizieren kann. Transmedia kann die Erzählwelt erweitern – „Je mehr diese Leute entdecken, desto mehr Wissen wollen sie sammeln“, sagt Gomez. Aber die Erzählwelt müsse zuerst stehen, erst dann könnten Transmediamethoden überlegt werden. Jedes Medium muss für sich alleine funktionieren und mit den anderen Medien eine Transmedia-Kampagne ein authentisches Gesamtbild ergeben, um die gewünschten Emotionen hervorzurufen. Aber kann Transmedia mehr als Dinge verkaufen und spannende Erlebnisse generieren? Gomez beantwortet diese Frage mit einem euphorischen Ja. Denn Transmedia kann Bürger aktivieren, zu ganz unterschiedlichen Dingen. So hat Jeff Gomez‘ Firma Starlight Runner Entertainment in Kooperation mit dem kolumbianischen Staat ein Projekt auf die Beine gestellt, das junge Menschen zur Weiterbildung und aktiver Teilnahme am gesellschaftlichen Leben motivieren soll. Gomez weiß, dass vor allem Deutsche auf so eine Mobilmachung eher sensibel reagieren. Gomez erzählt, wie er sich auf den Vortrag in Deutschland vorbereitet habe, über seine Recherche und seine Erkenntnisse. Gerne erklärt er nun, dass sich Deutschland aber nicht wegen der Pervertierung von deutschen Kulturgütern im Dritten Reich verstecken müsse. Er verweist auf die Germanen und die reiche Mythologie. „Deutschland ist seiner Mythologie würdig.“ Es solle mehr transmedial erzählt werden, denn „Geschichten sind die Seile, an denen wir unserer Vorstellung von Realität entfliehen können, hin zu einer Freiheit jenseits unserer Vorstellungskraft“.
Dass es in Deutschland kreative Transmediaschaffende gibt, bewies anschließend das Pitching des story:first Digital Storytelling Lab. Dieser mehrtägige Workshop, der von dem First Movie Program des Bayerischen Filmzentrums, dem Transmedia Bayern e. V und dem Bayerischen Rundfunk initiiert wurde, beschäftigte sich mit sechs ausgewählten Transmedia-Projekten junger Transmediaerzähler, die von Experten wie Jeff Gomez bei der Weiterentwicklung ihrer Ideen unterstützt wurden. Dabei wurden Teams aus je einem Teilnehmer mit und einem ohne eigenes Projekt zusammengestellt, um den Projektleitern eine unvoreingenommene Hilfe zur Seite zu stellen. Beim Transmedia Day wurden dann die Ergebnisse vorgestellt.
Von Maria-Mercedes Hering
Die Kanzlerin der HFF München, Ingrid Baumgartner-Schmidt (l), mit den Veranstaltern des Transmedia Day 2015: Philipp Schall (Transmedia Bayern e.V.), Anja-Karina Richter (Bayerisches Filmzentrum), Astrid Kahmke (First Movie Program), Markus Kaiser (Mediennetzwerk Bayern/Mediencampus), Ewa Szurogaljo (Creative Europe Desk München) und Prof. Egbert van Wyngaarden (Transmedia Bayern e.V.).
Sehr gut gelungen, sehr guter beitrag.