„Das Geheimnis der Hebamme“ – Interview mit Regisseur Roland Suso Richter

Das Geheimnis der Hebamme

Mit dem Historiendrama „Das Geheimnis der Hebamme“ hat Roland Suso Richter den gleichnamigen Roman von Sabine Ebert mit Ruby O. Fee in der Hauptrolle verfilmt, den die ARD am 25. März um 20.15 Uhr ausstrahlt. Ein Interview über das Eintauchen in fremde Welten, freie Regieformen und junge Schauspieltalente.

„Die Hebamme 1 und 2“ mit Josefine Preuß, „Die Hebamme – Auf Leben und Tod“ mit Brigitte Hobmeier oder die BBC Serie „Call the midwife“ – Geschichten über Hebammen sind zurzeit sehr beliebt. Wie erklären Sie sich die Faszination an diesem Thema?

Das ist reiner Zufall. Natürlich versuchen Produzenten immer Rechte an Romanvorlagen, wie auch die von Sabine Ebert, zu kaufen. Wenn die Stoffe dann gleichzeitig zur Produktion kommen, ist das keine Absicht. Grundsätzlich gibt es für solche Themen aber eine Sehnsucht, da man in eine Welt eintauchen kann, die für uns fremd ist.

„Das Geheimnis der Hebamme“ spielt im Hochmittelalter zu Zeiten der Siedlerzüge und Silberfunde in Sachsen. Hatten Sie vor Beginn des Projekts eine Vorstellung von dieser Zeit?

Ich denke, jeder von uns hat eine Urvorstellung. Jeder versucht sich auszumalen, wie es früher war. Die Suche, wie es damals gewesen sein könnte und wie Menschen in dieser Zeit gelebt haben, ist etwas, was uns Menschen fasziniert. Es gibt über diese Zeit aber kaum Aufzeichnungen. Deshalb muss man sich meiner Meinung nach auch an keine Vorgaben halten – es war ja keiner dabei. Ein Aspekt hat mich während der Vorbereitungen aber besonders inspiriert. Und zwar die Idee, dass die Leute – egal in welchem Zeitalter – das Gefühl hatten, an der Spitze der menschlichen Entwicklung angekommen zu sein. Wir denken heute, Oh Gott, die Armen hatten damals nur Pferde zur Fortbewegung. Das war damals für sie aber wie für uns heute der Porsche unter den Fortbewegungsmitteln. Die Menschen fühlten sich in ihrer Entwicklung nicht benachteiligt, sondern „on the top“. Natürlich gab es auch Armut und Leid. Aber eben auch Momente, über die sich die Leute im Mittelalter gefreut haben. Das hat mir geholfen. Es gab nicht nur das finstere Mittelalter, in dem Leute gequält oder umgebracht wurden.

Diesen Blick auf den Alltag der Dorfgemeinschaft, das Zusammenleben, haben Sie in „Das Geheimnis der Hebamme“ sehr dokumentarisch und fast naturalistisch festgehalten. Wie haben Sie das geschafft?

Ich kann mich einem Thema nur nähern, indem ich es über mich definiere. Ich versuche bei jedem Film, mich persönlich in die Stimmung zu bringen und zu verstehen, was da passiert. Ich gehe in den Pausen zum Beispiel nicht zum Kaffee trinken ans Catering. Ich laufe im Dorf herum und schaue zu, beobachte, was dort geschieht und schicke meine Kamera auf die Reise. Wenn wir ans Set kommen, gibt es eine Mittagspause und ansonsten kein Verlassen des Sets bis zum Abend. Nur dadurch bekommt man ein Gefühl dafür, wie sich eine Situation anfühlt.

Ich habe gelesen, dass Sie eine ganz besondere Art zu drehen haben, ohne zu proben loslegen und den Schauspielern viel Platz zur Improvisation geben.

Ich mache das schon seit fünf oder sechs Jahren. Der Ursprung für diese Umstellung meiner Arbeitsweise war, dass Filmemachen, so wie wir es gelernt haben, ein veraltetes Prinzip ist. Das hat damit zu tun, dass Filmmaterial früher sehr teuer war. Somit sind wir Regisseure mit einer heute veralteten Form des Filmemachens groß geworden. Wir haben mit den Schauspielern geprobt und eine technische Probe mit der Kamera gemacht. Es wurde erst gedreht, wenn alles gepasst hat. Das war eine wirtschaftliche Entscheidung und diente in der Regel dazu, Ängste zu reduzieren und auf die Bedürfnisse der Schauspieler und Teammitglieder einzugehen. Bei den Proben habe ich aber oft festgestellt, dass dort Momente entstanden, die ich gerne auf Film gebannt hätte. Da kommt man aber nicht mehr ran und versucht dann, es nachzumachen. Und der Versuch, es nachzumachen, ist nicht mehr das Gleiche.
Meine Regieführung hat sich insofern geändert, dass ich nicht mehr so stark vorgebe, was die Schauspieler zu tun haben. Ich gebe ihnen den Raum, in dem sie es tun können. Das ist die Regieform, die ich mag. Ich gebe die Schauspieler frei und lasse mich gerne davon überraschen, was kommt. Und diese besonderen Momente bekomme ich nur einmal. Das bedeutet natürlich, dass ich mich selber erst einmal zurücknehme.

Wie sind die Schauspieler mit dieser Freiheit umgegangen?

Die lieben das. Es ist natürlich eine Umstellung, klar. Früher kamen wir alle ans Set und nutzten die Proben, um uns gemeinsam vorzubereiten. Das geht jetzt nicht mehr. Aber im Grunde geht es um eine Prioritätenverschiebung: nicht die Technik steht mehr im Vordergrund, sondern der Schauspieler.

Wie lässt sich diese Art zu drehen mit Kampf- und Stuntszenen kombinieren, die immer bis ins Detail geplant und präzise durchgeführt sein müssen?

Ich kann natürlich keinen Schwertkampf ungeübt auf diese Art drehen. Das geht nicht. Bei diesen Szenen ist es dann wieder Filmemachen wie Malen nach Zahlen, so wie wir es immer gemacht haben. Das geht nicht anders, denn sonst sind die Darsteller tot.

Der Film beeindruckt mit einem sensationellen Cast von jungen Schauspieltalenten. Allen voran Ruby O. Fee, die in der Hauptrolle wenig Sprechanteil hat und mit ihrer Gestik und Mimik überzeugt. Wie haben Sie sie für die Rolle gefunden?

Ruby habe ich beim Casting entdeckt. Mir war sofort klar, dass sie die Rolle der Marthe übernehmen wird. Sie hat eine unheimliche Transparenz und Durchlässigkeit. Eine Verletzlichkeit, die man vor allem auch dann sieht, wenn sie nichts sagt. Das war mir wichtig.

Die Geschichte ist von starken Frauenfiguren geprägt. Die mutige Titelheldin ist völlig auf sich allein gestellt und Hedwig ist im Vergleich zu ihrem einfach gestrickten Mann, dem Markgrafen Otto, eine zielstrebige Strategin. Würden Sie ihren Film als einen „Frauenfilm“ bezeichnen?

Es ist in erster Linie ein Frauenfilm aufgrund der Protagonistin. Vielleicht aber hatten die Frauen auch damals in vielen Fällen das Zepter in der Hand, da die Männer oft weg waren. Interessant war, dass die Schauspielerinnen auch während der Dreharbeiten den Ton angaben. Und auch in den Pausen war das zu beobachten: die Männer haben sich zurückgezogen und die Frauen standen gemeinsam auf dem Dorfplatz.

Werden Sie die Fortsetzungen des Romans ebenfalls verfilmen?

Das Maß der Dinge ist leider überall die Quote. Deshalb werden wir sehen, was nach der Ausstrahlung passiert.

Werkfoto Das Geheimnis der Hebamme (c)©ARD DegetoBavaria FernsehproduktionJan Hromádko (1)

Roland Suso Richter (rechts) während der Dreharbeiten am Set.

„Das Geheimnis der Hebamme“ ist eine Koproduktion der Bavaria Fernsehproduktion, Lotus Film und Wilma Film gefördert durch den Fernsehfonds Austria, den FFF Bayern und das Land Niederösterreich im Auftrag der ARD Degeto für Das Erste.

 

 

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