Über die Grenzen zusammenwachsen – Interview mit Uli Putz zum Produzentennetzwerk ACE

Uli Putz (in der Bildmitte) während der Dreharbeiten zu „Krabat“ im Jahr 2006. Zwei Jahre zuvor nahm sie mit diesem Projekt am ACE Workshop teil.

In diesem Jahr unterstützt der FFF Bayern den Finance Workshop des renommierten Produzentennetzwerks ACE – Ateliers du Cinéma Européen (17. bis 19.11.) in München. Produzentin Uli Putz hat 2004 am ACE-Programm teilgenommen und spricht über ihre Erfahrungen mit dem Programm, die Besonderheiten europäischer Koproduktionen und die Bedeutung des Workshops für den Filmstandort Bayern.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für Produzenten, sich bei ACE zu bewerben?

Uli Putz: Wenn man als Produzent schon etwas Erfahrung hat und sich für Koproduktionen öffnen möchte. Das ist die Voraussetzung. ACE ist ein Networking-Forum, bei dem Produzenten europäische Kontakte knüpfen sollen, um Koproduktionen durchzuführen. Außerdem muss man bereits produzierte Projekte vorweisen können, da gewünscht ist, dass sich Produzenten mit einem ähnlichen Erfahrungslevel bei ACE finden.

Wann haben Sie selbst teilgenommen?

2004 mit Krabat, in Cognac und Paris. Kurz vorher bin ich in unserer Firma als Produzentin tätig geworden. Für mich war das ein guter Zeitpunkt, um mit einer frischen Motivation zu schauen, was an dem Programm und durch die Kontakte für unsere Firma interessant sein könnte. Das hat sich auch wirklich bestätigt.

Haben Sie im Fall von Krabat Koproduktionspartner bei ACE gefunden?

Nein, das haben wir nicht. Das Programm ist aber auf jeden Fall auch dafür geeignet, Finanzierungsmöglichkeiten für nationale Produkte kennenzulernen. Was ich aus den ACE-Workshops gewonnen habe, hat sich nicht gleich bei Krabat niedergeschlagen, sondern bei vielen Projekten danach. Der Workshop hat für mich am meisten dazu gedient, in dieser intensiven Zeit festzustellen, mit wem ich zusammenarbeiten und wem ich vertrauen könnte, wer ähnliche Projekte realisiert und mit wem wir in finanzieller Hinsicht zusammenpassen könnten.

Bei welchen Projekten konnten Sie später auf Ihre Kontakte bei ACE zurückgreifen?

Wo sich die Kontakte ein erstes Mal als wahnsinnig nützlich herausgestellt haben, war bei unserem Projekt Maria, ihm schmeckt’s nicht. Das wollten wir ursprünglich mit einem Verleih aus Deutschland heraus produzieren, der auch Italien übernehmen sollte. Als sich diese  Zusammenarbeit dann zerschlagen hat, konnte ich glücklicherweise Dank meiner ACE-Kontakte Cristiano Bortone von der Orisa Filmproduktion in Rom für das Projekt gewinnen. Ihm habe ich vertraut, und er ist sofort in das Projekt eingestiegen. Das war für uns in der Phase projektrettend. Bei Das kleine Gespenst und Heidi war das ähnlich. Ich habe zusammen mit Reto Schaerli von Zodiac Pictures am ACE-Workshop teilgenommen und seitdem immer Kontakt zu ihm gepflegt. Ich habe ihn gefragt, ob Das kleine Gespenst für ihn interessant sein könnte. Es war auch schon klar, dass der Schweizer Alain Gsponer Regie führen wird – ein verbindendes Element muss es immer geben. Daraufhin hat Zodiac Pictures Das kleine Gespenst mitfinanziert. Seitdem hat sich eine fast dauerhafte Zusammenarbeit entwickelt. Als Zodiac Pictures danach Heidi im Development hatte, sind wir schließlich während der Entwicklungsphase mit in das Projekt eingestiegen. Und jetzt machen wir Die kleine Hexe wieder in der gleichen Konstellation. Diese Zusammenarbeit würde es ohne die „Kontaktbörse“ ACE nicht geben. Genauso wie bei Maria ihm schmeckt’s nicht. Wenn man das Netzwerk also nutzt und Erfahrungen auch weitergibt, können produktive Konstellationen entstehen.

Konnten Sie als erfahrene Produzentin während der Workshops überhaupt noch neue Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten oder der Projektentwicklung kennenlernen?

Absolut. Es war sehr hilfreich, sich dem Prüfstand unterziehen zu müssen. Ich habe ganz fremden, unbeteiligten Kollegen unser Projekt gepitcht und mir anhören müssen, was die Teilnehmer aus England, Frankreich oder Lettland dazu sagen. Das erfordert, dass man sich selber wieder fragen und argumentieren muss, warum man die Geschichte überhaupt erzählt. Dadurch muss man sich bewusst machen, ob das Produkt international bewertet werden kann, oder ob es ein Produkt ist, das nur auf dem nationalen Markt funktioniert, auch wenn es international nicht verstanden wird.

Worin liegt für Sie der Reiz bei europäischen Koproduktionen? Welchen Ansatz bezüglich europäischer Koproduktionen verfolgen Sie bei Claussen+Putz?

Ich habe immer total Lust auf internationale Koproduktionen, weil ich grundsätzlich Interesse an Menschen aus anderen Sprachräumen und Kulturen habe. An unserer Filmographie sieht man aber, dass wir uns nicht an Koproduktionen beteiligen, bei denen vier bis fünf Partner dabei sind und Festivalfilme entstehen. Wir haben in unserer Firma einen anderen Ansatz: Die Filme, die wir machen, müssen in Deutschland kommerziell funktionieren. Das wünschen wir uns zumindest im Vorfeld. Es ist schwer, Filme zu finden, die in zwei Territorien hochkommerziell gelingen. Bei den Koproduktionen, die wir gemacht haben, waren wir immer der majoritäre Partner. Oder einer von zwei gleichwertigen Partnern wie bei Heidi. Wir waren aber erst ein Mal als minoritärer Partner dabei, und zwar bei Trade, einer Koproduktion mit den USA. Koproduktionen mit einem kleinen Finanzierungsanteil lohnen sich für unseren Betrieb nicht, schon allein weil der Arbeitsaufwand und der für die nun doch zwölf Firmenmitarbeiter verbleibende Lohn nicht zusammenpassen, leider.

Klassische multilaterale europäische Koproduktionen sind oft kleinere Filme, meistens Dramen. Dramen funktionieren national übergreifend besser als kommerzielle Filme, Kinderfilme oder Komödien. Das ist aber nicht unser Kerngeschäft. Trotzdem interessiert es mich immer wieder von Neuem. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja in Zukunft das ein oder andere Projekt, das dennoch überzeugt.

Worauf muss man als Produzent besonders achten, wenn man erfolgreich koproduzieren will?

Es ist immer ein Risiko. Wenn ein Koproduktionspartner seinen Beitrag nicht leistet, weil er insolvent oder unzuverlässig ist, hat man trotzdem die Pflicht, den Film fertiggestellt zu liefern. Es muss in einem Insolvenzfall ganz klar geregelt sein, was dann passiert. Am meisten muss man darauf achten, wie solvent der Partner ist, auf den man sich einlässt. Für mich ist das Vertrauensverhältnis aber noch wichtiger. Vertraglich kann man nämlich nicht alles regeln. Deshalb finde ich das ACE-Netzwerk auch so gut, weil man die Leute wirklich lange kennenlernen kann und merkt, mit wem man zusammenarbeiten könnte und wer zu einem passt.

Was zeichnet das ACE-Training darüber hinaus noch aus?

Man erfährt weltweit über neue Finanzierungsmöglichkeiten, wird über Tax Shelters und Förderungen gebrieft und merkt langsam, welches Land wie tickt. Wo findet man gemeinsame Nenner, wo gar nicht? Es hilft, sich schneller klar zu werden, welche Projekte sich für Koproduktionen eignen und welche gar nicht.

Die Filmschaffenden, die ich bei ACE kennengelernt habe, zeichnen sich auch alle dadurch aus, dass sie sehr offen sind und ihre Erfahrungen teilen. Ich komme immer ganz inspiriert von den ACE-Treffen zurück, wenn ich sehe, was die Kollegen in den anderen Territorien so machen. Das ist sehr erfrischend.

Darüber hinaus hat das ACE-Programm den Vorteil, dass es neben dem initialen Workshop ein Follow-up gibt. Dadurch festigt sich das Netzwerk. Bei ACE bleibt man dabei und versucht, über die Grenzen hinweg zusammenzuwachsen.

Gelingt dies auch, wenn immer mehr Partner aus den verschiedenen Ländern an dem Netzwerk teilnehmen?

Das betrachte ich als das einzige Problem von ACE. Es ist ein subventionierter Verein, der immer neue Workshops anbietet und Mitglieder gewinnen möchte und muss. Früher war der Kreis noch exklusiver, weil sich nur Produzenten bewerben konnten, die schon eine gewisse Art von Erfahrung und Größe hatten. Da man aber immer neue Mitglieder braucht, hat die Exklusivität ein wenig nachgelassen. Jedes Jahr werden 15 neue Mitglieder aufgenommen. Wie viele Jahre gibt es aber 15 neue unentdeckte erfahrene Produzenten in Europa? Irgendwann muss man unerfahrene Produzenten aufnehmen, da sich das Programm sonst nicht finanziert. Das verwässert den exklusiven Charakter auf Dauer schon.

An ACE nehmen wenige bayerische Produzenten teil. Können Sie sich erklären, warum?

Ich kann es mir insofern erklären, dass es in Bayern wenige Produzenten gibt, die sich auf klassische europäische Koproduktionen einlassen oder spezialisiert haben, wie zum Beispiel ein Drama aus vier Ländern mit einem festivalbekannten Arthouse-Regisseur. Dafür steht Bayern nicht. Wir sind anders gelagert. Die meisten kommerziell erfolgreichen Kinofilme kommen aus Bayern. Ich weiß nicht, wann das angefangen hat. Früher hatte ich den Eindruck, dass kleine Projekte, die nicht in Bayern gedreht werden, gar nicht gerne in Bayern gesehen sind – vielleicht auch bei der Förderung nicht gerne gesehen sind, weil nicht ausreichend Geld hier im Bundesland ausgegeben werden kann. In Nordrhein-Westfalen oder Berlin werden multinationale Arthouse-Filme, an denen man als kleiner Koproduzent beteiligt ist, schon viel länger und eher von den Förderungen unterstützt – auch wenn nicht im jeweiligen Bundesland gedreht wird. Mittlerweile wäre der FFF Bayern meiner Meinung nach aber viel offener für solche Projekte. Es kann sein, dass dies die produzentischen Schwerpunkte langfristig verändert, und dass es somit immer nützlicher und wichtiger für hiesige Produzenten wird, sich einem Netzwerk wie ACE anzuschließen.

Welche Bedeutung hat der ACE-Workshop für München?

Ich finde, es ist ein tolles Zeichen – auch vom FFF Bayern – dass der Workshop in München stattfindet. Das zeigt, dass Interesse besteht, bei europäischen Koproduktionen dabei zu sein. Es bleibt spannend, was passiert, wenn bayerische Produzenten das Netzwerk kennenlernen, aber auch, wenn das Netzwerk unseren Drehort besser kennenlernt. Daraus kann bestimmt ein Mehrwert für beide Seiten erwachsen.

 

Über ACE

Seit 1993 bietet ACE erfahrenen europäischen Produzenten Workshops, Coachings und Networking Events an. Das Ziel dieser Trainings ist es, die Teilnehmer für gemeinsame Koproduktionen zusammenzubringen und sie zu ermutigen, mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Jedes Jahr werden 16 Produzenten mit einem Projekt ausgewählt, an den ACE-Workshops teilzunehmen.

 

Uli Putz (in der Bildmitte) während der Dreharbeiten zu „Krabat“ im Jahr 2006. Zwei Jahre zuvor nahm sie mit diesem Projekt am ACE Workshop teil.

 

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