„Ein Filmset lässt sich durchaus mit einem Schachspiel vergleichen.“ Interview mit Uwe Hotz von „Vibrations – German Electronic Solutions & Academy“

Uwe Hotz

Uwe Hotz, Geschäftsführer und Schulungsleiter der Firma „Vibrations – German Electronic Solutions & Academy“, liegen Mensch und Technik am Herzen. Deshalb möchte er die Sicherheit am Filmset herstellen, gewährleisten und verbessern. In seinen seit Dezember 2014 stattfindenden Schulungen bringt er das nötige theoretische Know-How der Elektrotechnik und praktische Erfahrungen vom Filmset mit. Warum seine Schulungen wichtig sind und was Schach und ein Filmset gemeinsam haben, erklärt Uwe Hotz im Interview.

Sie sind um die Sicherheit elektrotechnischer Vorgänge am Filmset besorgt. Welche Gefahren können dort auftreten?

Es gibt vielfältige Situationen, bei denen es gefährlich werden kann. Wir haben es am Filmset mit massiven physikalischen und elektrischen Kräften zu tun. Durch schwierige Wetterbedingungen kann die Technik zur Gefahr für das gesamte Team werden. Zum Beispiel kann der Einsatz großer Kamerakräne bei starkem Wind sehr gefährlich werden. Auch die Möglichkeiten, was man alles falsch machen kann, sind mannigfaltig. Am Filmset hat man einen Generator bzw. Stromerzeuger dabei, welcher geerdet sein muss. So kann ein Fehlerstrom an seinen Ursprung zurückkehren und fließt durch schnell reagierende Schutzsysteme, die gefährliche Ströme abschalten, nicht über den Körper des Menschen. Dafür müssen elektro- und leitungstechnische Voraussetzungen gegeben sein. Ansonsten kann es zu Stromunfällen kommen, die eine tödliche Wirkung haben können.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für eine gefährliche Situation am Filmset?

Es wurde vor einiger Zeit z.B. in einem alten Gebäude aus den 30er Jahren gedreht. Überwiegend ist es so, dass man für die Stromversorgung einen vom Rental gemieteten Generator und Installationseinheiten mit den nötigen Schutzeinrichtungen verwendet. Aber bei dem Dreh hat man in der Hektik die fehlerhafte Entscheidung getroffen, schnell ein Gerät an das Haus anzustecken. Man hätte vorher die Gebäudeinstallation beurteilen und Messungen durchführen müssen. Dann hätte man sehr schnell festgestellt, dass hier gefährliches Potenzial auf der Erdung des Hauses liegt. Das wurde nicht gemacht und dann war ein richtig gefährliches Potenzial auf dem Gehäuse eines Equipments. Da hat sich jemand draufgesetzt und einen starken Stromschlag abgekriegt. Es gab einen Hubschrauber- und Notarzteinsatz mit anschließendem Krankenhausaufenthalt. Allein für die medizinische Versorgung entstanden dabei immense Kosten für die Berufsgenossenschaft. Treten durch solche vermeidbare Unfälle bleibende Schäden beim Verletzten auf, kann es richtig teuer werden. In diesen Situationen braucht es einen Fachmann, der aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Erfahrung eine Empfehlung oder auch eine Warnung aussprechen kann.

Wirkt das nicht blockierend auf die Filmproduktion?

Das ganze Thema der Arbeitssicherheit soll eigentlich nicht dazu dienen, ein Projekt zu blockieren oder es schwieriger zu machen. Produzenten, die meistens eine wirtschaftliche und nicht technische Ausbildung haben, sind auf die Beurteilung eines Fachmannes angewiesen. Wenn jemand sagt, wir müssen den Dreh jetzt abbrechen, dann ist das nicht, weil er Schwierigkeiten machen, sondern den Produzenten vor größeren Kosten bewahren möchte. Denn sollte der Beleuchter einen Fehler aufgrund der Überschreitung seiner Handlungskompetenzen machen, muss letztendlich der Produzent dafür gerade stehen. Das ist der springende Punkt: Kleine Filmproduktionen können es sich kaum leisten, wenn ein Drehtag ausfällt oder sie in Regress gezogen werden. Geschieht dies aufgrund eines Unfalles oder falscher Anwendung der Technik, wird von der Versicherung ein Gutachter geschickt und es kann teuer werden. Deswegen sind diese elektrotechnischen Messungen so enorm wichtig. Man baut sein Netz auf und weist durch Messtechnik nach, dass zum Zeitpunkt der Messung an der Installation alles einwandfrei war und die Schutzeinrichtungen wirksam waren. Auch für die Verleihfirmen von Filmtechnik, den Rentals, ist es wichtig nachzuweisen, ob der Fehler an ihrem Equipment lag. Es ist also ein technisches Qualitätsmanagement, das dort stattfindet.

Sollte dieses Qualitätsmanagement nicht schon längst ein fester Bestandteil bei der Filmproduktion sein?

Über schätzungsweise 80 Prozent der Beleuchter am Set arbeiten ohne elektrotechnische Kenntnisse. Sie haben zwar praktische Berufserfahrung, aber können stromtechnisch nicht beurteilen, was passiert und zu berücksichtigen ist. Ich möchte diesen Menschen die nötige Qualifikationen zur Beurteilung des Stromnetzes beibringen, was auch den Umgang mit Messgeräten erfordert. Diese helfen, einen Blick in die Installation zu werfen und zu dokumentieren, ob alles im grünen Bereich ist. Das Prüfen der Installationen wurde bereits im Jahr 1973 in einem Teil des Technischen Regelwerks festgelegt. Und auch die Filmindustrie als Industrie muss sich an gesetzliche Vorgaben und Richtlinien halten, die schon seit Beginn der Industrialisierung 1903 ins Leben gerufen wurden. Ich kenne viele Produzenten, die gefragt haben, ob das neu sei, aber das ist uralt. Beim Film hat man große Netze und Studios mit gewaltigen Installationen und das Set wird mitunter 3-4 Mal am Tag umgebaut. Ein Film-Stromnetz wird wie eine Baustelle betrachtet, bei der man sehr viele Dinge beachten und beurteilen muss. Und immer mehr Produktionen fragen nach gut ausgebildeten Leuten. Auch die Berufsgenossenschaft und die Versicherungsgesellschaften verlangen, dass qualifiziertes Personal am Set ist.

Wie sind Sie überhaupt zur der Arbeit am Film-Set gekommen?

Ursprünglich habe ich eine elektrotechnische Ausbildung als Fernmeldeinstallateur bei Siemens absolviert und mich über die Jahre zum Elektroniker weitergebildet. Dabei habe ich bereits durch Anlagenprüfung und Messtechnik Objekt-Installationen von Gebäuden abgenommen, was schließlich die Basis meiner heutigen Arbeit ist. Zum Film bin ich durch einen witzigen Zufall gekommen. Ich war eine Zeit lang Trainer in einem Fitnessstudio, weil ich selber Leistungssport im Bereich Fitness und Bodybuilding betrieben habe. Zufällig war RTL im Haus, welche muskulöse Darsteller für Fernsehsendungen oder Werbefilme gesucht haben. Dabei wurde ich angesprochen. Der Bezug zum Film ist also vor der Kamera entstanden, aber ich stellte schnell fest: Auf mein Gesicht hat keiner gewartet (lacht). Dennoch bekam ich auf diesem Weg Kontakte zur Filmindustrie und es sprach sich herum, dass ich technisch ausgebildet bin. Daraufhin habe ich mit 30 Jahren noch ein Praktikum bei der Firma ARRI Rental Group in München absolviert und damit einen völlig neuen Weg eingeschlagen.

Was macht die Arbeit am Filmset für Sie so interessant?

Durch das Praktikum habe ich festgestellt, dass ich eine Affinität zum Film habe. Mir haben die Leute gefallen und ich habe super Kollegen kennengelernt. Das hat richtig Spaß gemacht. Der Film bietet eine Vielfältigkeit mit allen Arten von Situationen, die man sich nur vorstellen kann. Die Drehorte und Anwendung neuester Technik sowie die unterschiedlichen Schauspieler und Special Effects – das alles hat ein eigenes Flair. Und wenn man dort einmal Blut geleckt hat, ist man vom Film-Virus infiziert und hängt da irgendwie dran.

„Ein Filmset lässt sich durchaus mit einem Schachspiel vergleichen“ – Wie ist das gemeint?

Schach ist ein Spiel für Strategen. Und ein guter Stratege denkt vier Züge voraus. Wenn man ein Filmprojekt in Planung hat, muss man im schon Vorfeld an sehr viele Sachen denken. Ein Film kostet viel Geld und bedarf einer akribischen Vorbereitung. Und je besser man das Ganze plant und sich vor Augen hält, umso reibungsloser und zügiger läuft der Dreh ab. Die täglichen Produktionskosten erlauben es nicht, dass man unvorbereitet zum Dreh kommt. Beim Film wird nichts dem Zufall überlassen und es arbeiten viele Figuren strategisch ineinander. Diese sind eigentlich alle dafür da, den Produzenten vor finanziellen Verlusten zu schützen. Wenn Unfälle oder Fehler passieren, dann sind das Straftatbestände und keine Kavaliersdelikte. Zur Vorbeugung braucht man Fachleute, welche zur Sicherheit am Filmset mit der entsprechenden Messtechnik umgehen können. Das lernen sie in meinen Schulungen.

Wie ist die Schulung entstanden?

Die Idee zur Academy kommt ursprünglich von Micky von Hohenzollern (ARRI). Ich habe zu der Zeit für ARRI Prüffelder entwickelt und es passierten die ersten Dinge an den Filmsets. Dann haben die Produktionen bei mir angerufen und mich um Hilfe bei den Messungen gebeten. Und so habe ich meine ersten Schulungen der Messtechnik auf vier Blättern kariertem Papier abgehalten. Das ist erst zwei Jahre her. Anschließend habe ich die wichtigsten Themen der Filmindustrie so gut wie möglich herausgearbeitet. Dabei habe ich auch sehr viel mit Ingenieuren gesprochen.

Wie läuft eine Schulung bei Ihnen ab?

Die zweitägige Schulung ist eine Weiterbildungs- oder Berufsergänzungsmaßnahme und besteht aus Theorie und Praxis. Der Theorieteil findet am ersten Tag in einem Konferenzraum statt und ich versuche dabei, alles so einfach wie möglich und bildhaft verständlich darzustellen. Der zweite Tag beschäftigt sich mit der Praxis und findet bei einem Rental statt, wo die benötigte Technik vorhanden ist. Dabei bauen wir ein simuliertes Filmset mit Generator auf, um die Situation am Filmset authentisch nachzustellen. Ich mache dabei absichtlich Fehler, lasse die Teilnehmer zu lange Leitungen legen oder ich zeige ihnen, welche Auswirkungen, z.B. die Scheinwerfer auf das Netz haben. Auch Situationen, die ich noch nicht kenne, werden ausprobiert. Und da kommen wir auf ganz tolle Sachen. Abschließend erhalten die Teilnehmer eine Teilnahmebestätigung und Urkunde.

Wer genau und wie viele Teilnehmer besuchen die Schulungen?

Ich halte die Schulungen bewusst klein, zwischen acht bis maximal zehn Teilnehmer. Es kommen Beleuchter sowie Oberbeleuchter und es gibt Teilnehmer, die sich weiterbilden und ihr Spektrum erweitern wollen. Bei den Schulungen werden viele Fragen gestellt und jeder soll an den Messinstrumenten arbeiten können. Es soll kein langweiliger Vortrag sein, sondern Spaß machen und an der Praxis orientiert sein. Schulungen in dem Bereich gab es schon früher, jedoch waren sie zu sehr an der Theorie ausgerichtet. Mit der Praxis kenne ich mich bestens aus, habe bei Fragen ein Bild vor Augen und kann mich in die Situation hereindenken. Ich setze mich auch direkt zu den Teilnehmern und halte keinen Frontalunterricht ab.

Werden Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützt?

Die Unterstützung aus der Industrie, insbesondere der Sicherheits- und Messindustrie, ist enorm – da war ich völlig überrascht. Wir haben in Deutschland den Vorteil, dass wir ein hoch technologisches Land sind. Und da gibt es Firmen, wie Bender, Doepke und auch Mennekes mit denen ich sehr eng zusammen arbeite. Diese stellen Sicherheitstechniken, also Strom- und Überwachungstechniken her und sind weltweit führend auf diesem Gebiet. Sie stellen mir alles zur Verfügung, was ich brauche und unterstützen auch die Academy. Auch die gesetzliche Unfallversicherung BG ETEM hilft mir, indem sie demnächst eine Pilot-Schulung mit meinem Konzept geben möchte. Die großen Rentals (Schmidle, Cine Mobil, TMT, Zündt) identifizieren sich jetzt zum Glück immer mehr mit meiner Firma, weil ja mit ihrem Equipment gearbeitet und niemand will, dass ihre Kunden zu Schaden kommen. Mit meiner Firma allein kann ich dieses Thema nicht bewerkstelligen. Und deswegen brauchen wir hier die ganze Power der Rentals und auch der Filmindustrie. Die Zielsetzung ist eigentlich überall die Gleiche: Menschen davor zu schützen, das ihnen etwas passiert. Langfristig gesehen soll genau das durch die Entwicklung des Ausbildungsberufes „Filmbeleuchter und Kamerabühnen-Techniker“ geschehen.

Sie wollen also einen neuen Ausbildungsberuf ins Leben rufen. Warum?

Die Ausbildungen können äquivalent zum “Veranstaltungstechniker“ gesehen werden. Bei Veranstaltungen gibt es das Bewusstsein der hohen Verantwortung für Publikum und Darsteller bereits und es werden Schutzeinrichtungen integriert und das Netz geprüft. Auch am Filmset möchte ich dazu den Anstoß geben. Es soll bei dieser dreijährigen Ausbildung erlernt werden, wie man Licht macht, wie man mit Arbeitssicherheit umgeht, elektrotechnische- und Lichtberechnungen anstellt – also ein sehr breites Spektrum. Und da kommen dann die Rental-Firmen oder die Filmtechnik-Hersteller ins Spiel. Wir haben in Deutschland tolle Technik und damit eine gute Basis, von hier aus einen Impuls durch ganz Europa zu geben. Das werde ich allein nicht stemmen können, aber ich wäre gerne mit dabei.

Interview: Linda Petrach

 

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